Elli gibt den Loeffel ab
aber viel zu vernünftig, und damit war sie zeit ihres Lebens gut gefahren. So gut, dass sie spontan nach Italien gereist und auf eine Erbschaft angewiesen war, die sie nur mit viel Glück zugesprochen bekommen würden. Vernunft zahlte sich offenbar aus, sagte sie sich mit giftigem Zynismus, den sie bisher nur von ihrer Schwester kannte.
Kapitel 10
Ein echter Überlebenskünstler hatte immer einen Plan B. Daran glaubte Fabrizio felsenfest. Prinzip Hoffnung. Jedenfalls gedachte er gerade im Hinblick auf den bevorstehenden Termin mit Roberto de Andre, dem er ein Treffen in einer Bar im belebten Zentrum vorgeschlagen hatte, nicht aufzugeben. Tausend Gedanken kreisten auf dem Weg vom zentralen Parkplatz durch die engen Gässchen in seinem Kopf. Wie hatte er nur annehmen können, dass Castigliones Töchter, sofern sie überhaupt beide Erbinnen des Hauses waren, sich darauf einlassen würden, die Pension weiterzuführen? Sicher, während der Saison war die Casa Bella nicht zuletzt aufgrund ihrer traumhaften Lage immer gut gebucht gewesen und die regelmäßigen Einnahmen in Form einer Pacht waren sicher nicht zu verachten, aber warum um alles in der Welt war es ihm nicht in den Sinn gekommen, dass sie die Casa Bella ebenfalls verkaufen könnten?
Nur weil sie sich als Kinder so gut verstanden hatten? Weil Eleonore und Dorothea hier auf Capri ihre Ferien verbracht hatten? Vermutlich hatten sie nicht die geringste Ahnung, wie lukrativ eine Pension in dieser Lage auf Dauer sein konnte. Wie es aussah, brauchten beide das Geld, und zwar so schnell wie möglich. Undank war der Welt Lohn. Er hätte sie ja nicht anzuschreiben brauchen. Nun musste er mit einer neuen Strategie in die Offensive gehen, allein um seiner Nichte willen.
»Wer sind diese beiden Frauen?« De Andre verlor keine Zeit mit irgendwelchen Begrüßungsfloskeln, als Fabrizio sich zu ihm an den Tisch setzte.
Er war offensichtlich wütend. So wütend, dass er, ohne darauf zu achten, ein Zuckerstück nach dem anderen in den Espresso gab, der vor ihm auf dem Tisch stand.
»Ich habe sie auch erst heute kennengelernt«, log Fabrizio, ohne rot zu werden. »Wie es aussieht, sind sie Castigliones Töchter. Zwei Deutsche«, fuhr er, um einen entspannten Tonfall bemüht, fort.
Roberto schlug aus Zorn mit der flachen Hand so stark auf den Tisch, dass die Tassen und Untersetzer auf und ab sprangen. Einige andere Gäste der kleinen Bar am Rande der Piazzetta drehten sich bereits nach ihnen um. Dorotheas Besuch bei der Gemeinde hatte wohl ordentlich für Wirbel gesorgt. Fabrizio hatte bewusst diesen belebten Treffpunkt gewählt, weil angesichts der neuen Sachlage nicht auszuschließen war, dass de Andre seine Leute auf ihn hetzte, damit sie ihn verprügelten. An einem öffentlichen Platz würde auch er so etwas nie wagen.
»Willst du mich auf den Arm nehmen? Woher wissen diese Frauen, dass sie etwas geerbt haben? Gibt es ein Testament?«
»Nein!«
»Warum sind sie dann in der Casa Bella?«
Fabrizio wurde augenblicklich mulmig zumute, als de Andre sich mit beiden Zeigefingern auf die Augen deutete. »Ich sehe und höre alles.«
Der Hotelier hatte ihn also beobachten lassen. Mit diesem Mann war nicht zu spaßen.
»Die beiden können nachweisen, dass sie die rechtmäßigen Erbinnen sind«, sagte er.
»Und wie wollen sie das anstellen?« Roberto schien ihm die Behauptung nicht abzunehmen.
»Mit einem Gentest.«
De Andre fing lauthals an zu lachen. Fast schien es, als wollte er sich gar nicht mehr beruhigen.
»Ein Gentest! Meinst du etwa, ich lasse zu, dass sie Castiglione noch mal ausgraben?«
»Das ist nicht mehr nötig. Sie haben seine Haare. Das reicht.«
Sofort fror die Miene seines Gegenübers ein. Roberto brauchte offenbar einen Moment, um dies zu verdauen. Fabrizio war erleichtert, dass sein Plan B offenbar Früchte trug. Nun hatte er ein Druckmittel in der Hand und konnte de Andre vielleicht davon überzeugen, dass er auf ihn angewiesen war. »Um diesen Anspruch durchzusetzen, braucht man zwar Zeit. Andererseits kommst du auch nicht an die Pension heran, wenn ein Verfahren läuft.« In de Andre schien es heftig zu arbeiten.
Seine Verunsicherung musste Fabrizio einfach ausnutzen. »Ich könnte dir helfen. Gegen eine kleine Provision. Du bekommst das Haus zu einem günstigen Preis. Ich will zehn Prozent. Und du lässt meine Nichte in Ruhe.«
De Andres Gesichtszüge entspannten sich augenblicklich. Er schätzte es offenbar, Geschäfte dieser Art zu machen.
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