Elli gibt den Loeffel ab
auch noch andere interessante Männer gab. Tausend messerscharfe Pfeilspitzen formierten sich auf ihrer Zunge, bereit, Elli damit zu torpedieren. Aber was sollte das schon bringen? Vielleicht konnte ihre Schwester sich gar nicht mehr daran erinnern, was sie ihr gestern volltrunken gestanden hatte. Es war sowieso viel wichtiger, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, den Grund, weshalb sie überhaupt hier waren.
»Ich hab Mamas Briefe gelesen.«
»Und?«, brachte Elli gerade noch hervor, bevor sie einen weiteren Happen von ihrem Käsebrötchen abbiss.
»Nichts!«
»Nichts?« Erst jetzt schien Elli zu merken, dass dies keine so gute Nachricht war.
»Sagte ich doch.«
Endlich hatte Elli das Brötchen heruntergewürgt. »Aber dann haben wir ja überhaupt nichts in der Hand.«
»Gut kombiniert. Ich schätze, wir sind darauf angewiesen, dass uns Roberto ein vernünftiges Angebot macht«, versuchte Dorothea ihrer Schwester nahezubringen.
»Ich hab da ein ganz gutes Gefühl«, gab Elli ihr mit schier umwerfendem Selbstverständnis zu verstehen.
»Er wird versuchen, uns über den Tisch zu ziehen.« Das war so sicher wie das Amen in der Kirche.
»Roberto ist nicht der Typ dafür.«
Unfassbar, mit welcher Überzeugung Elli dies von sich gab. »Deine Menschenkenntnis in allen Ehren, aber jemand, der sich ein kleines Hotelimperium aufgebaut hat, kämpft mit harten Bandagen. Von nichts kommt nichts!« Dorothea konnte einfach nicht glauben, dass ihre Schwester so gutgläubig war, oder hatte sie sich von dem großen Kino, das Roberto ihnen am vergangenen Abend geboten hatte, etwa derart blenden lassen?
Schmollend und mit einem Du-wirst-schon-sehen-Blick widmete sich Elli nun der Obstschale. Auch recht. Wenigstens herrschte jetzt Ruhe.
»Guten Morgen, Mama.«
Anja hatte also endlich auch den Weg aus dem Bett gefunden, wenn auch nicht allein. Paolo war an ihrer Seite. Der Gang ihrer Tochter hatte etwas Federleichtes, und Paolos Haar sah zerwühlt aus. Auch Ellis Blick ließ keinen Zweifel aufkommen, dass sie ebenfalls sehr überrascht war und das Gleiche dachte wie sie. Die beiden hatten offenbar eine leidenschaftliche Nacht hinter sich. Hatte Roberto am Ende auch noch seinen Sohn auf sie angesetzt? Zuzutrauen wäre es ihm. Würde sich sonst ein so gutaussehender junger Mann ausgerechnet in ihr Pummelchen verheben? So, wie er Anja anlächelte, war er entweder ein verdammt guter Schauspieler oder tatsächlich in ihre Tochter verknallt.
»Habt ihr heute schon was vor?«, fragte sie die beiden Turteltäubchen.
»Paolo will nur heute die schönsten Plätze auf der Insel zeigen«, schwärmte Anja und hängte sich bei ihm ein. »Und ihr?«
»Wir treffen uns heute Nachmittag mit Roberto.«
»Lassen Sie sich nicht unterkriegen. Mein Vater kocht auch nur mit Wasser«, versuchte Paolo sie aufzumuntern.
Ein netter Zug, der zumindest daraufhindeutete, dass er Anja nicht für die Zwecke seines Vaters instrumentalisierte.
»Ihr wollt die Casa Bella immer noch verkaufen?«, hakte Anja nach.
Eigentlich hätte sie ihrer Tochter mit einem klaren Ja geantwortet, doch Ellis strenger Blick schaffte es tatsächlich, dass sie etwas mehr Diplomatie an den Tag legte.
»Wir hören uns erst einmal an, was er uns anbietet.«
Die Antwort schien Anja zu beruhigen. Ein Fehler! Nun machte sie sich bestimmt wieder Hoffnung auf die Pension. Andererseits war es vermutlich wirklich das Beste, erst einmal das Treffen abzuwarten.
»Wo ist eigentlich Heinz?«, fragte Elli eher beiläufig, als Fabrizio mit einem Tablett und Kaffee aus dem Haus kam.
»Er ist heute schon sehr früh losgefahren.«
»Ohne sich zu verabschieden?«, erkundigte sich Elli irritiert.
»Er wollte euch nicht wecken«, fuhr Fabrizio fort.
»Hat er denn keine Nachricht hinterlassen?«, hakte Elli nach.
»Nein. Ich habe ihn mit dem Wagen zum Hafen gebracht. Er hat die erste Fähre nach Neapel genommen.«
Auch wenn Dorothea Heinz nur kurz kennengelernt hatte, sah ihm das gar nicht ähnlich. Auf alle Fälle schien diese Neuigkeit in Elli ganz schön zu arbeiten. Tickte sie noch richtig? Gestern noch im Limoncello-Fieber und heute stand wieder Heinz auf dem Programm? Vermutlich lag es an der intensiven capresischen Sonne.
Einfach so abzuhauen, ohne sich zu verabschieden. Das hätte Elli Heinz beim besten Willen nicht zugetraut. Gut, sie hatte sich gestern nicht um ihn kümmern können, aber er wusste genau, wie wichtig der Empfang für sie war. Dennoch war seine Abreise
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