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Ellin

Ellin

Titel: Ellin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Millman
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runzelte die Stirn. Die Statue kam ihr vage bekannt vor. Sie war noch nie hiergewesen, und auch ihr Vater hatte ihr nie davon erzählt und doch hatte sie das Gefühl, sie schon einmal gesehen zu haben. Fasziniert starrte sie auf das schwarze Gebilde. Es übte eine eigentümliche Anziehungskraft auf sie aus, lockte sie mit einem verborgenen Wissen. Eine ganze Weile ließ sie den fernen Schemen auf sich wirken. Das Abbild des Feuergottes hütete ein Geheimnis, das spürte sie, und obwohl sie keine Ahnung hatte, warum es wichtig sein sollte, es zu ergründen, sagte ihr Instinkt, dass sie es zumindest versuchen musste.
29
    B arfuß läuft sie über ungewöhnlich warmen Stein. Dunkelheit hält sie umfangen. Blind tastet sie sich an rauen Wänden entlang, folgt einer unsichtbaren Spur, die sie immer tiefer in das Gewölbe führt. All ihre Sinne sind auf einen einzigen Punkt gerichtet, ein Hauch von Türkis in einer verbrannten Welt. Zischen und Gemurmel um sie herum. Tapsende Schritte.
    Vor einer Öffnung hält sie inne. Dahinter liegt eine Höhle, so klein, dass kein ausgewachsener Mann ausgestreckt darin liegen kann, doch groß genug, um sich zu verstecken. Der türkise Hauch ist nun ganz nah.
    »Kylian«, wispert sie.
    Ein Stöhnen und eine fiebrige Hand, die ihre sucht.
    »Die Kugeln sind vergiftet«, wispert er. »Geldis sagt, ich brauche die Feuerblumen.«
    »Feuerblumen?« Ellin betrachtet ihn verwirrt.
    »Bitte«, erwidert er. »Steige hinauf und bring mir die Feuerblumen.«
    Ellins Blick wandert nach oben zur Höhlendecke. Eine schmale Öffnung, kaum breit genug für einen ausgewachsenen Menschen, führt in die Höhe. Sie streckt die Hände aus, berührt den Durchgang. Heiße Luft weht ihr entgegen.
    »Worauf wartest du?«, erklingt Geldis Stimme hinter ihr. »Steig hinauf.«
    Erschrocken dreht sie sich um. Kylian ist fort. Statt seiner steht Geldis vor ihr und betrachtet sie ernst. In ihren Händen hält sie hellbraune Kugeln, die mit winzigen Stacheln bewehrt sind. Sie knistern leise und vibrieren, selbst ein Atemzug lässt ihre filigrane Hülle erzittern.
    »Hier«, sagt Geldis und hält ihr die Kugeln hin. Als Ellin danach greifen will, reißen sie auf und zerfallen in winzige Teile, die in der Luft zerbröseln und vergehn.

    Ruckartig erwachte Ellin. So sicher, wie sie wusste, dass sie sich in unmittelbarer Nähe der Schwarzen Leere befand, so sicher wusste sie, dass dies kein Traum gewesen war. Sie blickte sich um. Der Nordstern stand hoch am Himmel und warf seinen schwachen Schein auf die Welt. Nuelia, Jesh und die Soldaten schliefen. Bela saß auf einem Stein und hielt Wache. Weder Kylian noch die Nox waren aufgetaucht. Letztere warteten wahrscheinlich auf die Verdunklung des Nordsterns. Ellins Blick wanderte zum Tunneleingang. Sie musste Kylian suchen. Wenn sie allein ging, würden die Nox sie sicher nicht bemerken. So leise wie möglich erhob sie sich, entzündete eine Fackel und schlich zum Torbogen.
    »Wohin geht Ihr?«, fragte Bela.
    Ellin beschleunigte ihren Schritt. Sie musste in den Tunnel steigen, bevor irgendjemand sie aufhalten konnte. Bevor die Vision verblassen und ihren Mut mit sich nehmen würde. Zwei Stufen auf einmal nehmend hastete sie die Treppe hinab und rannte in den Gang hinein. Die Fackel flackerte und fauchte neben ihrem Ohr. Sie rannte, bis sie ihre schmerzenden Lungen zu einem gemäßigten Schritt zwangen. Ängstlich spähte sie in abzweigende Gänge, Nischen und Höhlen, suchte nach einem Lebenszeichen von Kylian. Ein roter Schein vor ihr zwang sie in einen schmalen Gang, dem sie bis zu einer weiteren Abzweigung folgte. Dort entschied sie sich für den rechten Weg, nur um kurz darauf feststellen zu müssen, dass sie auf die sich schnell nähernde Aura mehrerer Nox zulief. Erschrocken hielt sie inne. Der rot leuchtende Nebel quoll um die Ecke und leckte an ihren Füßen. Schnell trat sie die Fackel aus und duckte sich in eine Nische. Keinen Augenblick zu früh, denn schon schlichen die Wesen an ihrem Versteck vorbei. Ihre Haut schimmerte unnatürlich bleich in der Finsternis, das schlohweiße Haar, lang und glatt wie das einer alten Frau, fiel über ihre Rücken wie Spinnweben. Mit angehaltenem Atem wartete Ellin, bis sie verschwunden waren, dann kraxelte sie aus ihrem Versteck und tastete nach den Feuersteinen in ihrer Tunika. Vergeblich. Sie hatte sie in ihrem Bündel vergessen. Panik drohte sie zu überwältigen, ihr schwindelte und sie musste sich an der Wand festhalten, um

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