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Ellin

Ellin

Titel: Ellin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Millman
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Schulter zuließ hievte sie sich durch das Loch in der Decke. Ihre Hände krallten sich in etwas Heißes, Körniges. Kurz darauf stand sie inmitten der Schwarzen Leere. Über ihr leuchtete der Nordstern, unter ihr harter, ölig glänzender Sand und verbrannter Fels. Die Luft war trocken und die brütende Hitze selbst bei Nacht kaum zu ertragen. Sie blickte sich um. Ein finsterer Schatten erhob sich westwärts und wies ihr den Weg. So schnell es in dem unwegsamen Gelände möglich war, schlängelte sie sich zwischen den Felsen hindurch. Noch vor dem Versinken des Nordstern musste sie in die Höhle zurückkehren, sonst würde sie sich verlaufen. Tiefe Furchen durchzogen den holprigen Boden, wie willkürlich gezogene Ackerkrumen.
    Ihre Füße versanken in dem heißen Sand, der in ihre Schuhe sickerte und an ihrem Fleisch rieb. Die scharfkantigen Felsen rissen an ihrer Kleidung und hinterließen leichte Verbrennungen auf ihrer Haut. Innerhalb kürzester Zeit war ihre Kleidung schweißgetränkt, der Mund staubtrocken. Die Haare klebten an ihrem Kopf wie nasser Seetang.
    Endlich tauchte die Statue des Feuergottes vor ihr auf, riesenhaft und pechschwarz. Sie glänzte ölig wie der Sand und strahlte eine dunkle, uralte Magie aus, die Ellin trotz der Hitze erschauern ließ. Der Körper sah aus, als wäre er aus erstarrten, ineinander verschlungenen Flammen geformt, aus denen dünne, fingerlose Arme ragten. Ein gespaltener Schädel, eine Hälfte wie der Kopf eines Tieres, mit spitzen Zähnen und lidlosen Augen, die andere skelettiert, mit tiefen Höhlen, wo Mund und Nase sein sollten. Ellin zwang sich, den Blick von der Statue zu lösen und begann, den Boden abzusuchen. Obwohl sie sich gänzlich auf diese Aufgabe konzentrierte, fand sie keine einzige Feuerblume. Hatte sie sich geirrt? Hatte ihre Vision getrogen? Gab es überhaupt so etwas wie Feuerblumen? Hektisch stapfte sie um die Statue herum, ohne fündig zu werden. Das Licht des Nordsterns verblasste bereits.
    Verzweifelt sank sie auf die Knie, kroch am Boden herum und wühlte hektisch in dem schwarzen Sand. Endlich erspähte sie ein runzeliges Etwas. Ein winziges Stück des Blütenkelchs ragte fast unsichtbar zwischen den öligen Körnern hervor. Vorsichtig befreite sie die Kugel und zupfte sie aus dem Boden. Nun, da sie wusste, nach was sie suchen musste, fand sie ein Stück weiter eine zweite Kugel und auch eine Dritte. Da sie nicht sicher war, wie viele sie brauchen würde, sammelte sie, was sie tragen konnte, und machte sich dann auf den Rückweg. Die Zeit eilte, sie konnte kaum noch einen Doppelschritt weit sehen. Zu ihrem Glück war der Eingang der Höhle durch einen besonders großen, spitz zulaufenden Fels markiert, den sie selbst in der Dunkelheit gut erkennen konnte. Erleichtert glitt sie durch die Öffnung.
    Kylian war noch immer bewusstlos. Er atmete flach, fast sah es aus, als würde er gar nicht atmen. Unschlüssig starrte sie auf die Blumen in ihrer Hand. Musste er sie essen oder sollte sie die Dinger auf seine Wunde legen? Sachte platzierte sie die Kugeln auf den Boden, behielt eine in der Hand und zerdrückte sie. Das Innere war leer. Die Blume bestand nur aus einer hauchfeinen, stachelbewehrten Hülle, die einen feurigen Hauch verströmte, wie heißer Dampf. Der metallische Geruch von Feuersteinen stieg in ihre Nase.
    Kylian gab gurgelnde Laute von sich, weil er nicht mehr schluckte. Die Zeit drängte. Sie musste etwas tun.
    Kurzerhand schob sie sein Hemd hoch, steckte einen Finger in die Wunde und pulte die Kugel heraus. Ein barbarischer Akt, der auch dem stärksten Mann einen Schmerzenslaut entlockt hätte, doch Kylian war in tiefer Bewusstlosigkeit gefangen und rührte sich kaum. Warme Feuchtigkeit klebte an ihren Fingern, und obwohl sie es nicht sehen konnte, wusste sie, dass ihre Hände rot waren von seinem Blut. Die Kugel in seiner Brust war in zwei Teile zerbrochen und hatte ihren flüssigen Kern in sein Fleisch ergossen. Schnell zerbröselte sie eine Handvoll Blumen und stopfte eine Hälfte in Kylians geöffneten Mund, die andere Hälfte streute sie in seine Wunde, drückte sie ganz tief hinein. Zuletzt verschloss sie das Loch in seiner Brust mit einer unversehrten Blume, presste sie in sein Fleisch, sodass sie ihren feurigen Hauch nach innen entleerte. Für einen Augenblick gewahrte sie wieder das Leuchten, das sie schon während Butans Bestattung bemerkt hatte. Die Zeichen auf seinem Körper erstrahlten, doch auch diesmal verschwand es so

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