Ellin
untergebracht. So geht es immer weiter, bis zur untersten Ebene, wo sich die niederen Soldaten- und Sklavenquartiere befinden.«
Ellin war gespannt, wo Nosara sie einquartieren würde und staunte, als der Diener Kylian und Geldis ein Quartier auf der zweiten Ebene zuwies, während er Nuelia, Jesh und sie in die dritte Ebene geleitete. Es verursachte ihr Unbehagen, dass die Gruppe nicht zusammenbleiben konnte.
»Wieso bekommen die beiden eine Kammer auf der zweiten Ebene zugewiesen und wir nicht?«, fragte sie leise.
Jesh beugte sich zu ihr hinüber. »Geldis bekommt aus Achtung vor ihrem Alter und ihren seherischen Fähigkeiten eine der besseren Kammern und Kylian, weil er der Anführer ist«, flüsterte er. »Doch wenn du mich fragst, hat die Herrscherin eine Schwäche für ihn. Ich vermute sogar, dass die beiden das Bett miteinander geteilt haben.«
Ellin sah ihn entrüstet an. »Wie kommst du darauf?«
Jesh zuckte mit den Schultern. »Wie sonst ist es zu erklären, dass sie zwar weiß, wer wir sind, es sie jedoch in keinster Weise zu stören scheint. Zudem wirft sie ihm zweideutige Blicke zu, wenn sie sich unbeobachtet fühlt. Und was eine Herrscherin will, das bekommt sie bekanntlich auch.«
»Aha«, erneut verspürte Ellin einen eifersüchtigen Stich. Jeshs Worte bestätigten ihre Befürchtungen. Nosara hegte mehr als nur ein flüchtiges Interesse an Kylian. War die Herrscherin gar der wahre Grund, warum er sich nicht zu seinen Gefühlen für sie bekannte? In welcher Welt könnte sie mit einer so mächtigen und schönen Frau konkurrieren? Sie hatte sich etwas vorgemacht. Kylian war nicht an ihr interessiert. Er mochte sie, wie man ein hilfloses Tierjunges mochte, mehr nicht. Sein wahres Interesse galt der Herrscherin. Sie war nicht nur gebildet und schön, sie konnte ihm auch zu Macht und Ansehen verhelfen und sein Auskommen sichern.
»Was ist? Du siehst traurig aus. Sorgst du dich um deine Zukunft?« Jeshs Frage riss sie aus ihren Gedanken.
Sie rang sich ein Lächeln ab. »Nein, nein. Ich bin einfach nur erschöpft von der Reise.«
Jesh ergriff ihre Hand. »Sorge dich nicht, alles wird gut, vertrau mir. Ich lasse dich nicht im Stich.«
»Ich weiß.«
Der Diener öffnete eine Tür und bedeutete Ellin und Nuelia einzutreten.
Ellin bedankte sich, woraufhin der Diener nickte, nicht unfreundlich, aber ohne ein Lächeln auf den Lippen. Sie wunderte sich darüber, dass er niemals sprach oder wenigstens einmal lächelte.
»Ist es den Bediensteten verboten, mit uns zu sprechen?«, fragte Ellin, nachdem sie die Kammer betreten hatten.
»Sie können nicht sprechen«, erwiderte Nuelia.
»Was? Warum nicht?«
»Man hat ihnen die Zunge herausgeschnitten.«
Entsetzt riss Ellin die Augen auf. »Nein. Wie kann man einem Menschen so etwas antun?«
»Um sie zu perfekten Palastdienern zu machen. Sie beschweren sich nicht, sie verraten keine Geheimnisse und sie sind unauffällig und still«, erklärte Nuelia.
Angewidert verzog Ellin das Gesicht. »Das ist barbarisch.«
Nuelia zuckte mit den Schultern. »Das mag sein, doch es erfüllt seinen Zweck.« Sie winkte Ellin herbei. »Nun vergesst die Leibdiener und lasst uns lieber die Kammer in Augenschein nehmen.«
Obwohl die Offenbarung ihr Unbehagen bereitete und sie gerne mehr über diesen grausamen Ritus erfahren hätte, fügte Ellin sich und sah sich um. Die Kammer war karg aber geräumig, die Wände weiß getüncht, das Mobiliar bestand aus zwei niedrigen Betten, einer Truhe und mehreren Sitzkissen. Eine Öffnung führte in eine weitere Kammer, in der ein flaches Becken in den Boden eingelassen war. Der Boden war mit demselben schimmernden Stein ausgelegt, den sie schon im Thronsaal bewundert hatte. Eine Stufe führte in die Mitte hinab. An der Wand befand sich ein langer, schmaler Tisch, auf dem Kleidung sowie gefaltete Tücher lagen. Darüber hing eine gerahmte Vanadiumscheibe. Auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes offenbarte sich ein weiterer Durchgang, der mit einem Vorhang verhängt war.
Ellin erschrak, als der Vorhang zur Seite geschoben wurde und fünf Sklavinnen die Kammer betraten. Jede schleppte zwei große Eimer, gefüllt mit dampfendem Wasser, welches sie in das Becken kippten. Eine Dienerin folgte ihnen. Sie trug eine Schale mit duftenden Blüten und eine Flasche Badeöl.
»Man merkt sofort, dass hier eine Frau herrscht«, sagte Nuelia.
»Ach wirklich? Woran merkt Ihr das?«, fragte Ellin.
»Ein Bad mit wohlriechenden Essenzen zu versehen
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