Ellin
Speisen waren vorzüglich, das Beste, was sie je gegessen hatte. Exotisch gewürztes Fruchtmus, warmes, knuspriges Brot, zartes Fleisch, dessen Herkunft sie nicht einmal zu erahnen vermochte und gebackenes, mit Kräuteröl gewürztes Gemüse, bildeten einen Festschmaus, an den sie noch lange zurückdenken würde.
Anschließend war sie müde auf ihre weiche, nach getrocknetem Riedgras und Moos duftende Bettstatt gesunken und sofort eingeschlafen.
Sie blickte sich um. Nuelia war schon angekleidet und hantierte an ihrem Bündel herum.
Einen Laut des Wohlbefindens ausstoßend setzte sie sich auf.
Grinsend drehte Nuelia sich um. »Bist du endlich wach? Ich befürchtete schon, dass du den ganzen Tag verschläfst.«
Ellin blickte aus dem Fenster. Die große Sonne stand hoch. »Ich habe bis zur Mittagszeit geschlafen? Das ist unmöglich. Wieso habt Ihr … hast du mich nicht geweckt?«
Die vertrauliche Anrede kam ihr noch ein wenig zögerlich von den Lippen. Am Abend zuvor hatte Nuelia ihr vorgeschlagen, dass sie nun, nachdem sie nicht nur gemeinsam Abenteuer bestanden, sondern auch zusammen gebadet hatten, nicht mehr so förmlich miteinander sprechen müssten. Ellin hatte das Angebot dankbar angenommen, brachte es sie der kühlen Nuelia doch näher.
»Du hast in letzter Zeit einiges mitgemacht. Ich dachte mir, dass du ein wenig Erholung verdient hast. Aber nun beeil dich, wir wollen auf den Markt. Jesh brennt darauf, dir die Stadt zu zeigen.«
»Was ist mit Kylian? Wird er uns begleiten?«, fragte Ellin.
»Nein, er wurde von der Herrscherin zu einer Unterredung gebeten.«
Wieder ein eifersüchtiger Stich. Schnell wandte Ellin ihr Gesicht ab, um ihr Missfallen über Kylians und Nosaras Zusammenkunft zu verbergen. Zugleich ärgerte sie sich über ihre Gefühle, empfand sie als Verrat. Wie hatte sie nur zulassen können, dass dieser Mann sich ihr Herz stahl? »Nun gut, dann gehen wir eben alleine.«
Nuelia musterte sie schweigend. Nervös fuhr Ellin sich durch das zerzauste Haar, sprang aus dem Bett und eilte in den Nebenraum, wo frisches Wasser und saubere Kleidung für sie bereitstanden. Zum ersten Mal erlebte sie eine derartige Bequemlichkeit. Bisher war sie immer diejenige gewesen, die ihrem Herrn gedient hatte. Nun war sie der Gast und sie genoss die Annehmlichkeiten in vollen Zügen.
Wenig später machten sie sich auf den Weg zum Markt. Das huanacische Kleid, das sie trug, war so angenehm und luftig, dass sie die Tatsache ignorierte, dass es sich bei jedem Windhauch an ihre Rundungen schmiegte. Sie tröstete sich mit dem Gedanken, dass sie hier eher in ihrer vecktanischen Tracht auffallen würde, als in diesem Gewand. War das Gedränge bergab noch überschaubar, so verdichtete sich der Menschenstrom zusehends, je mehr sie sich dem Markt näherten. Die Stadt sprühte vor Leben. Wie Blut, das durch die Lebenswege eines Körpers pulsierte, strömten die Menschen durch die engen Gassen. Fasziniert betrachtete Ellin die ungewohnte Farbenvielfalt, nahm die fremden Gerüche in sich auf. Zwischen den umhereilenden Bewohnern waren Sklaven damit beschäftigt, die Straßen von Dreck und Unrat zu befreien und die Spuren des Urwalds zu beseitigen, der sich nach Kräften bemühte, die Stadt mit Flechten und Gräsern zu überziehen.
Jesh führte sie an den Ständen entlang und zeigte ihr, was der Markt von Huanaco zu bieten hatte. Dort gab es nicht nur exotische Speisen, wie geröstete Käfer oder gebackener Apinaschwanz, sondern auch Schmuck, Haarbänder, Stoffe, Kleidung und Spielwaren. Sogar lebende Tiere wurden feilgeboten. Jesh erstand ein Band, in das glitzernde Steine eingeflochten waren, und reichte es ihr. »Das ist für dich«, sagte er errötend.
Ellin berührte das Band, das im Sonnenlicht funkelte. »Es ist wunderschön, aber das kann ich unmöglich annehmen.«
»Ich bitte dich darum. Bitte. Nimm es an.«
»Aber wann soll ich denn so etwas Wunderschönes tragen?«
»Immer dann, wenn uns die Herrscherin empfängt oder während des Sternenfests. Dann funkelst auch du wie die fallenden Sterne.«
Ellin betrachtete sein Gesicht. Es wäre so einfach, könnte sie diesen anständigen und freundlichen Mann lieben. Doch entgegen aller Vernunft gehörte ihre Zuneigung Kylian. Es wäre unrecht, Jesh falsche Hoffnungen zu machen. »Es tut mir leid. Ich kann das nicht annehmen.«
Sein Gesicht verdüsterte sich, er sah aus wie ein gescholtener Junge. »Warum nicht? Ich erwarte keine Gegenleistung, wenn es das ist, was
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