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Ellorans Traum

Ellorans Traum

Titel: Ellorans Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances G. Hill
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verspätet. Mit Eifer machte ich mich ans Werk. Die zu kopierenden Schriftstücke besaßen nicht mehr Reiz als die vom vergangenen Nachmittag, aber ich trug es mit Fassung. Gewissenhaft schnitt ich mir einen frischen Gänsekiel zurecht, linierte mit der Nadel das gelbliche Papier und bedankte mich im Geiste bei Julian und seiner Geduld, mit der er einem zappeligen Schüler diese nützlichen Fertigkeiten beigebracht hatte.
    Meister Rowald machte seine Runde durch die Schreibstube und blieb neben mir stehen. Ich sah fragend auf – und er nickte mir aufmunternd zu. »Schön, sehr schön«, murmelte er und ging weiter. Das sollten auch die einzigen Worte bleiben, die er für die nächsten Tage an mich richtete. In der Schreibstube wurde wenig gesprochen. In dieser Umgebung konnte ich sogar für einige Stunden meine eigene Stummheit vergessen.
    Die wurde mir erstmals wieder schmerzlich ins Bewußtsein gerufen, als ich abends im Speisesaal saß und eine Suppe löffelte. Drei meiner Kollegen traten an meinen Tisch und fragten, ob sie sich zu mir setzen dürften. Ich nickte und machte eine einladende Handbewegung. Eine Zeitlang aßen wir schweigend, dann wandte sich mein freundlicher Pultnachbar zu mir und sagte höflich: »Wir haben uns noch gar nicht vorgestellt: mein Name ist Bartold, und diese beiden sind Jord und Massim.« Die Vorgestellten nickten mir lächelnd zu; groß, blond und massig der eine, der andere klein und fast vollständig kahl. Bartold, dunkelhäutig wie ein Olysser, sah mich erwartungsvoll an, und ich tauchte seufzend einen Finger in meine Suppe und schrieb Elloran auf den Tisch. Drei Augenpaare starrten erst gebannt auf den mit kleinen Nudeln und einem Zwiebelstückchen garnierten Schriftzug und dann betreten auf mich.
    »Oh«, sagte Bartold betroffen. Danach herrschte eine peinliche Schweigeminute, bevor alle drei gleichzeitig zu sprechen begannen. Ich löffelte meine Suppe weiter und bemühte mich um eine nüchterne Miene. Die drei Schreiber taten zwar unbefangen, aber ihr Unbehagen war deutlich zu spüren. Schon bald ging ihre Unterhaltung über mich hinweg, als wäre ich ein am Tisch vergessenes Kleidungsstück. Mir war der Appetit vergangen. Ich nahm meinen halbgeleerten Napf und stand auf. Drei flüchtige, erstaunte Blicke trafen mich, und ich nickte einen Gruß. Ich verließ den heißen, lauten Saal und verspürte das dringende Bedürfnis nach etwas frischerer Luft. Vielleicht konnte ich den kleinen Innenhof ausfindig machen, auf den meine Kammer hinausblickte. Ich trat aus dem Gebäude und versuchte, mich zu orientieren. Wenn ich um diese Ecke hier ging und durch jene Tür dort wieder in das Haus hinein ... Ich stiefelte los, meinen Atem als weißen Hauch vor dem Mund. Die trübe Luft roch nach Schnee. Auf dem Vorhof war wenig Betrieb, bei diesem feuchtkalten Wetter hielten sich die Burgbewohner anscheinend lieber drinnen auf.
    Ich erreichte die Tür, durch die ich in den Innenhof zu gelangen glaubte und öffnete sie. Wieder stand ich in dem Trakt des Gebäudes, in den ich mich schon einmal bei der Suche nach meinem Zimmer verlaufen hatte. Weiche Teppiche in dunklen, satten Farbtönen lagen auf dem Steinboden, und helle Stoffe bespannten die Wände. Ich zögerte am Eingang, unsicher, ob es mir erlaubt war, hier einzutreten. Vor mir öffnete sich eine Tür, und ich blickte auf den Rücken eines in einen grauen Mantel gekleideten Mannes, der sich von jemandem verabschiedete. Er drehte sich um, und ich erkannte den Kammerherrn. Er sah mich verwirrt an und schien darüber nachzugrübeln, woher er mich kannte. Dann schloß er die Tür und humpelte auf mich zu. Ich wich einen Schritt zurück, um ihm Platz zu machen, aber er blieb vor mir stehen und sah zu mir auf.
    »Wolltest du zu mir, junger Mann?« fragte er. Ich verneinte überrascht. Er ging zur Tür hinaus in den Hof und bedeutete mir, ihm zu folgen. Gehorsam trottete ich neben ihm her auf den Palas zu. »Und, hast du dich schon etwas eingelebt?« Er schien fest entschlossen, Konversation zu betreiben. Fast verzweifelt nickte ich wieder. »Meister Rowald ist sehr zufrieden mit dir«, fuhr er fort. »Wärest du daran interessiert, eine feste Anstellung als Schreiber der Krone zu erhalten?« Wir erreichten die Freitreppe, und ich blieb stehen. Milde erstaunt drehte Karas sich zu mir um und hob fragend eine Augenbraue. Ich sah in sein rundes, liebenswürdiges Gesicht und mußte unwillkürlich lächeln. Er lächelte zurück und begann, die endlos

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