Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ellorans Traum

Ellorans Traum

Titel: Ellorans Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances G. Hill
Vom Netzwerk:
Unterbrechungen darstellten.
    Ich dehnte meine verkrampften Schultern, streckte die steifgewordenen Finger meiner rechten Hand und griff gerade nach dem nächsten Blatt Papier, als ein livrierter Lakai eintrat und Meister Rowald etwas zuflüsterte. Der nickte nur und deutete auf mich. Der Lakai trat an mein Schreibpult und sagte: »Ich soll dir deine Kammer zeigen, Junge. Würdest du mir bitte folgen?« Ich blickte zu Meister Rowald hinüber, der Weisung eingedenk, die ich vom Kammerherrn erhalten hatte. Rowald winkte fahrig und rief: »Geh nur, geh. Du hast für deinen ersten Tag ein schönes Pensum geschafft. Ich sehe dich morgen wieder.« Ich wandte mich ab, um dem Lakaien zu folgen, der schon ungeduldig in der Tür stand, da ging es mir wie ein Ruck durch den Körper. Wo hatte ich die ganze Zeit meinen Verstand gelassen? Ich war in der Kronenburg, ich hatte Papier und Schreibzeug zu meiner Verfügung und hatte meine Zeit zu nichts anderem genutzt, als bürokratischen Papierkram abzuschreiben. Ich klatschte mir vor die Stirn und setzte mich wieder an mein Pult. Der Lakai sah mich mit halboffenem Mund an. Ich bedeutete ihm, ich habe noch etwas Wichtiges zu erledigen. Er seufzte entnervt und setzte sich an eins der leerstehenden Pulte. Ich griff eilig nach einem Bogen Papier und schrieb: Großmutter, während du das liest, bin ich hier in deiner Nähe auf der Kronenburg. Ich bin von zu Hause fortgelaufen, weil Morak mich nicht zu dir lassen wollte. Kammerherr Karas weiß, wo du mich finden kannst. Bitte, melde dich bei mir. Dein Enkel Elloran.
    Ich streute Sand über die nasse Tinte, pustete ihn fort, faltete den Bogen zusammen und schrieb in säuberlichen Buchstaben ‚An Veelora Rhiantochter, Herrin von Kerel Nor’ darauf. Dann klopfte ich dem inzwischen halbwegs eingedösten Lakaien auf die Schulter und hielt ihm den Brief unter die Nase. Er blickte darauf, schüttelte den Kopf und ging damit zu Meister Rowald. Der blickte fast erschreckt auf, sichtlich verwundert, daß der Diener und ich immer noch nicht fort waren und blinzelte dann auf die Anschrift hinunter. Sein Mund formte ein erstauntes Oh! Er winkte mich zu sich und sah mich aus zusammengekniffenen Augen seltsam an.
    »Was hast du mit domna Veelora zu schaffen?« fragte er. Ich zuckte die Achseln. Er schüttelte den Kopf und sagte: »Na gut, es geht mich ja auch nichts an. Aber du hast Pech, die domna ist nicht mehr hier.« Mein Magen hob sich. Ich tippte verzweifelt auf meinen Brief, auf die Stelle, wo Kerel Nor geschrieben stand. Fragend öffnete ich meine Hand. Meister Rowald spitzte bedauernd die Lippen und schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, mein junger Freund. Die Herrin von Kerel Nor ist als Sonderbotschafterin vor wenigen Tagen mit Säcken voller Sendschreiben, Depeschen, Beglaubigungen und Zusicherungen nach S'aavara abgereist, um den Krieg vielleicht doch noch zu verhindern. Wir haben Tag und Nacht durchgearbeitet, um alles noch rechtzeitig fertigzustellen!«
    Ich deutete auf die Schreibfeder, die neben seiner Hand lag und kritzelte fahrig Leonie? auf den nutzlos geworden Brief. Möglicherweise kannte Meister Rowald ja die Frau, die Julian mir genannt hatte.
    Er las den Namen und ließ seine Augenbrauen noch weiter hochrutschen. »Du pflegst ja sonderbare Bekanntschaften für einen Jungen aus dem Arbeitshaus!« sagte er erheitert und etwas ungeduldig. Dann nickte er dem hinter mir stehenden Lakaien zu, der mich am Arm packte und zur Tür drehte.
     
    Betäubt ließ ich zu, daß der Diener mich wie ein Schaf aus dem Raum trieb. Er führte mich schweigend die Treppe hinauf und durch unzählige andere mit Türen gesäumte Flure in einen anderen Trakt des Gebäudes. Dort deutete er auf eine Tür und sagte: »Hier ist deine Kammer. Hat man dir schon den Weg zum Speisesaal der Bediensteten gezeigt?« 
    Ich schüttelte den Kopf und merkte jetzt erst, wie hungrig ich eigentlich war. Er seufzte, murmelte etwas, wovon ich nur das Wort ›lästig‹ verstand und winkte mir, ihm zu folgen. Verzweifelt darum bemüht, mir meinen Rückweg zu merken, folgte ich seinem unwillig steifen Rücken durch weitere Flure, eine Treppe hinab und über einen kleinen Innenhof zu einer großen Halle mit unzähligen Tischen und Stühlen. Außer uns waren nur einige wenige Männer in der Livree der Krone und eine Handvoll jüngerer Frauen anwesend, bei denen es sich wahrscheinlich um Stubenmädchen oder Küchenpersonal handelte.
    Mein schweigsamer Führer zeigte mir, wo

Weitere Kostenlose Bücher