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Ellorans Traum

Ellorans Traum

Titel: Ellorans Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances G. Hill
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hohe Treppe zu erklimmen. Da der Aufstieg seinem lahmen Bein sichtlich Schmerzen bereitete, ergriff ich ihn unaufgefordert am Ellbogen und half ihm. Er sagte nichts, aber als wir oben angelangt waren, tätschelte er kurz meine stützende Hand, bevor ich sie hastig und verlegen zurückzog. Er wischte sich heftig nach Luft ringend mit einem zarten Tüchlein den Schweiß vom geröteten Gesicht; sein Atem ging schwer und mühsam.
    Unseren weiteren Weg legten wir sehr viel langsamer und schweigend zurück. So fand ich genügend Muße, mich gründlich umzusehen. Das prächtige Äußere der Burg fand hier im Inneren des Palas seine Entsprechung. Der Boden der Großen Halle, die wir durchquerten, war spiegelnder rötlicher Marmor aus S'aavara, und die hohen Säulen, die das Dach trugen, bestanden aus schwarzem olyssischen Glimmergranit. Die Halle war festlich geschmückt. Von ihrer im Dämmerlicht unsichtbaren Decke hingen rundum die Banner der Edlen des Reiches. Ich suchte nach dem Wappen der Herrin von Kerel Nor und fand es links neben dem leeren Thronsitz: Ein gelber Falke auf dunkelrotem Grund, in den Fängen drei Weizenähren und einen silbernen Fisch. Das Banner war gesenkt, zum Zeichen, daß die Hand der Krone zur Zeit nicht bei Hofe weilte.
    Ich mußte wohl doch etwas zu auffällig auf das Banner meiner Großmutter geblickt haben, denn Karas blieb stehen und sah ebenfalls dorthin. »Das Wappen der Herrin von Kerel Nor«, erklärte er überflüssigerweise und wischte sich, offensichtlich dankbar für die Pause, wieder mit seinem albernen, kleinen Tüchlein über die fülligen Wangen und den feisten Nacken. Sein Atem hatte sich inzwischen beruhigt, und er setzte zu weiteren Erklärungen an. »Rechts vom Thron siehst du das Banner der linken Hand der Krone: das der Obersten Maga, Meisterin über alle Zauberer in diesem Teil der Welt.«
    Ich sah staunend hin: Das schwer und steif herabhängende Tuch war von tiefster mitternächtlicher Schwärze, ohne jedes Zeichen darauf, das die makellose Fläche unterbrochen hätte. Es warf einen drohenden Schatten auf den schlichten, dunklen Thron, auf dessen violetten Polstern wie vergessen ein schmaler eiserner Stirnreif lag.
    Karas setzte sich wieder in Bewegung. Ich folgte ihm hinaus aus der Großen Halle. Nach einigen Minuten kamen wir in einen weniger prächtig ausgestatteten Teil des Palas. Dort öffnete der Kammerherr einladend eine Tür und ließ mich eintreten. Der Raum, in den wir gelangten, war klein und gemütlich, seine Einrichtung erschien mir nach all dem Glanz des Palas sogar ein wenig schäbig. Offensichtlich hatte Karas mich in seine Privatgemächer geführt.
    Er entledigte sich nun leise ächzend seines Mantels und des schlichten Wamses und stand in seiner ganzen Körperfülle nur in dünnem Hemd und Hose vor mir. »Mach es dir bequem, Elloran, ich bin gleich wieder bei dir«, befahl er und verschwand durch eine andere Tür in einen Nebenraum. Ich hockte mich steif auf die Kante eines gepolsterten Stuhles neben dem kleinen Tisch und bemerkte mit Unbehagen, daß dieser vielbeschäftigte Kammerherr der Krone sich sogar meinen Namen gemerkt hatte. Was folgte wohl nun? Würde ich meine Anstellung bei Hofe etwa durch Liebesdienste zu bezahlen haben? Ich wappnete mich für diese Möglichkeit, fest entschlossen, dem Kammerherrn nicht zu Gefallen zu sein, auch wenn das bedeutete, wieder ins Arbeitshaus zurückkehren zu müssen.
    Karas trat wieder ein, die rundliche Figur in einen abgetragenen, dunklen Schlafrock gehüllt. Sein Hinken war deutlicher als zuvor, und er wirkte erschöpft. Aus einem kleinen Schränkchen holte er einen Krug und zwei Becher heraus. Er reichte mir einen der gefüllten Becher und trank mir mit einem Zwinkern zu, bevor er sich auf einen durchgesessenen kleinen Diwan sinken ließ. Ich probierte einen kleinen Schluck von dem schweren, dunklen Wein und nickte anerkennend. Bei aller äußerlichen Bescheidenheit legte der Kammerherr offensichtlich doch Wert auf Luxus, was die leiblichen Genüsse betraf – was man ihm ja auch durchaus ansah. Genüßlich und für einen Augenblick sogar entspannt leerte ich meinen Becher. Der Kammerherr trank schweigend und ließ mich dabei nicht aus den Augen. Dann griff er nach dem Krug und schenkte uns beiden nach. Unsicher erwiderte ich seinen Blick und erwartete jeden Augenblick ein eindeutiges Angebot.
    Aber er überraschte mich erneut. Er stellte seinen Becher beiseite und schob einige Bögen Papier und Schreibzeug

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