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Ellorans Traum

Ellorans Traum

Titel: Ellorans Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances G. Hill
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ich mein Essen abholen konnte und verließ mich dann sichtbar erleichtert. Ich nahm den Teller mit Fleisch und Brot von einer dicken, mütterlich wirkenden Köchin in Empfang und zog mich damit in eine Ecke zurück, von der aus ich den Raum gut im Blick hatte. Er füllte sich jetzt langsam. Ich beobachtete die Menschen, die einzeln und in kleinen Gruppen mit Tellern und Schüsseln in den Händen an mir vorbeigingen. Nicht alle Männer trugen Livree; viele steckten in ähnlich derber Arbeitskleidung wie ich, andere waren wie Meister Rowald und seine Schreiber in unauffällige lange Jacken und dunkle Hosen gekleidet, und wieder andere, wohl untergeordnete Beamte, glichen in ihrem Äußeren dem Kammerherrn Karas, der mich hierhergebracht hatte. Die Frauen trugen langärmelige Mieder; weite, dunkle Röcke in gedeckten Farben und fast alle auch Schürzen und entweder kleine Hauben oder Kopftücher über ihrem geflochtenem Haar. Mir fiel auf, daß keiner der Männer einen Bart trug und nur sehr wenige von ihnen längeres Haar. Mit meinen inzwischen überschulterlangen, nachlässig zusammengebundenen Haaren hätte ich hier eigentlich auffallen müssen wie ein Schwein im Hühnerhaus, aber ich sah nicht, daß irgend jemand mich deswegen anstarrte.
    Mit einem Mal war ich todmüde. Ich blickte auf meinen leeren Teller hinunter und konnte mich nicht erinnern, was ich eigentlich gegessen hatte, so sehr hatte mich meine neue Umgebung beschäftigt. Ich brachte den Teller zurück und machte mich daran, meinen Schlafplatz zu suchen. Nachdem ich mich zuerst in einen Teil des Gebäudes verirrt hatte, dessen Gänge statt mit Fliesen mit einem dicken Teppich ausgelegt und dessen Wände mit Stoff bespannt waren, gelang es mir endlich doch, den richtigen Flur und darin auch die augenscheinlich richtige Tür wiederzufinden. Denn als ich sie vorsichtig öffnete und hineinschaute, fast sicher, jemanden aufzustören, sah ich eine winzige, sparsam möblierte Kammer, auf deren Bett mein eigenes, weitgereistes Bündel lag. Mir kamen bei seinem Anblick die Tränen, als hätte mich in der Fremde ein alter Freund empfangen. Neben meinem Bündel lag ein kleiner Stapel Kleidungsstücke: Wäsche, zwei hellgraue Hemden und Jacke und Hose, wie sie die anderen Schreiber trugen. Ich hielt sie mir an und stellte fest, daß der Kammerherr mit einem guten Augenmaß gesegnet sein mußte: Die Kleider schienen, wiewohl eindeutig nicht neu, doch wie für mich gefertigt zu sein. Ich schob alles beiseite auf den einzigen Stuhl im Zimmer und öffnete das kleine Fenster. Die kalte Luft vertrieb für kurze Zeit den Schlaf aus meinen Augen. Ich blickte neugierig hinaus auf einen kleinen, gartenähnlichen, mit winterkahlen Bäumen und Büschen bestandenen Innenhof. Im Sommer, wenn alle die Pflanzen grün waren, mußte er einen hübschen Anblick bieten. Ob ich dann noch hier sein würde? Im Augenblick sah es allerdings nur zu sehr danach aus. Die Göttin allein wußte, wann meine Großmutter an den Hof zurückkehrte, und bis dahin konnte ich kaum etwas an meiner Lage ändern. Im Grunde mußte ich dankbar dafür sein, diese Anstellung in der Schreibstube erhalten zu haben – und sollte mich tunlichst darum bemühen, sie auch zu behalten. Über diesem wenig tröstlichen Gedanken schlief ich endlich ein: und so endete mein erster Tag in der Kronenburg immerhin mit guten Vorsätzen.

 
11
    I ch erwachte in aller Frühe und wußte für kurze Zeit nicht, wo ich war. Dann kehrte meine Erinnerung an den gestrigen Tag zurück, und plötzlich war ich von Tatendrang erfüllt. Ich sprang aus dem Bett, gönnte mir eine flüchtige Wäsche und stieg in meine neuen Kleider. Sie paßten wie angegossen. Ich blickte an mir herunter und betrachtete wohlgefällig meine ungewohnte Erscheinung. Jacke und Hose bestanden aus einem weichen dunklen Wollstoff, und das Hemd trug sogar eine bescheidene Andeutung von Spitzen am Kragen und an den Manschetten. Ich band mein Haar zurück und trat auf den Gang. Heute gelang es mir glücklicherweise, ohne längere Umwege zum Speisesaal zu finden. Ich ließ mir ein kräftiges Frühstück schmecken – die Verpflegung der Dienerschaft hier in der Kronenburg war wirklich königlich zu nennen – und suchte mir dann den Weg zur Schreibstube.
    Meister Rowald nickte mir freundlich zu und wies auf den Platz, den ich auch gestern innegehabt hatte. Mein Nachbar war noch nicht da, ich hatte mich also anscheinend an meinem ersten richtigen Arbeitstag nicht

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