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Ellorans Traum

Ellorans Traum

Titel: Ellorans Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances G. Hill
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zu mir hinüber. »Kannst du auch nach Diktat schreiben?« fragte er. Ich atmete erleichtert auf und nickte, ein wenig beschämt wegen meines offenbar grundlosen Verdachtes. Der Kammerherr lehnte sich in die Kissen zurück und schloß für eine Weile die Augen. Dann begann er in flottem Tempo zu diktieren: einen Brief an Veelora Rhiantochter, Herrin von Kerel Nor, Hand der Krone und zur Zeit Sonderbotschafterin der Kronstaaten am Hof Seiner Erhabenheit des maior T'jana von S'aavara.
    Sollte ich ihm eröffnen, daß ich der Enkel der Frau war, an die er schrieb? Meine Feder stockte für einen Augenblick. Er schien es zu bemerken, denn er öffnete seine Augen, um mir einen fragenden Blick zuzuwerfen. Ich sah ihn hilflos an und senkte dann meinen Blick, um weiterzuschreiben. Nur zu gut erinnerte ich mich an das höhnische Lachen des Wachoffiziers, der mich ins Arbeitshaus geschickt hatte. Ich konnte kaum damit rechnen, bei einem Kammerherrn der Krone auf größere Leichtgläubigkeit zu stoßen, auch wenn meine so unglaubwürdig klingende Geschichte völlig der Wahrheit entsprach.
    Karas diktierte mir einen langen, in persönlichem Ton gehaltenen Brief, in dem die Besorgnis der Krone über die angespannte Lage mehr als deutlich wurde. Die Krone beschwor ihre Botschafterin, alles in ihren Kräften Stehende zu versuchen, um den drohenden Krieg abzuwenden und gab ihr zu diesem Zweck ausdrücklich vollständig freie Hand. Mir schwindelte vor der Macht, die meine Großmutter in Händen hielt. Mir war nie zuvor so deutlich bewußt geworden, was es hieß, die rechte Hand eines der mächtigsten Herrscher dieser Welt zu sein.
    Nach den formellen Grußzeilen der Krone schloß Karas noch ein weiteres Schreiben in seinem eigenen Namen an, und ich stellte, während ich es niederschrieb, fest, daß er und Veelora sich wohl recht nahestehen mußten.
    » ... höre also einmal auf deinen alten Karas, liebste Veela, und sieh zu, daß du mit heiler Haut hierher zurückkehrst. Es grüßt dich in alter Verbundenheit, dein ...« Er ließ sich meine Feder geben und unterzeichnete schwungvoll. 
    Dann stieß er die Feder in das Tintenfäßchen zurück, legte den zweiten Brief beiseite und griff nach einer Stange Siegellack. Er erhitzte ihn über einer Kerze und ließ etwas davon auf das zusammengefaltete Schreiben der Krone tropfen. Dann zog er den Siegelring von seinem kleinen Finger und drückte ihn in den heißen Lack. Ich sah den Verrichtungen gebannt zu. Inzwischen dämmerte mir, daß dieser kleine, dicke Mann in der Hierarchie des Hofes an recht hoher Stelle stehen mußte: Er diktierte Briefe im Namen der Krone und trug das persönliche Siegel der Krone am Finger.
    Karas blickte auf und sah mich nachdenklich an. Dann griff er wieder nach dem zweiten Schreiben und schob es zu mir hinüber. Ich erwartete einen Nachsatz, aber er mußte wohl noch darüber nachdenken. Schwerfällig stand er auf und hinkte an mir vorbei zum Fenster. Er öffnete es einen Spalt und zog die schweren Vorhänge vor. Dann, noch immer mit dem Rücken zu mir, sagte er: »Möchtest du nicht auch noch ein paar Zeilen hinzufügen?« Ich saß wie erstarrt. Er kam zurück zum Tisch, wobei er mir flüchtig eine weich gepolsterte Hand auf den Rücken legte, und füllte dann erneut unsere Becher. Er hob den seinen hoch und trank mir zu. Seine wässrigen Augen blinzelten verschmitzt.
    »Meister Rowald hat mir einen Brief gezeigt, den ein Junge aus dem Arbeitshaus der domna Veelora senden wollte.« Ich hatte nicht mit Spott gerechnet und war selbst überrascht, wie sehr er mich damit traf. Blutrot übergossen stand ich auf und verbeugte mich steif, um zu gehen.
    »Ach, setz dich um Himmels willen, setz dich wieder hin!« befahl er mit einem ungeduldigen kleinen Winken. »Du hast doch deinen Wein noch gar nicht ausgetrunken.«
    Notgedrungen nahm ich wieder Platz. Er trank einen kleinen Schluck und ließ mich nicht aus den Augen. Warum starrte er mich nur die ganze Zeit so an? Kam jetzt vielleicht doch noch die Szene auf mich zu, die ich vorhin befürchtet hatte? Ich schluckte nervös mein Getränk herunter und schielte nach der Tür.
    »Du bist Veeloras raulikanischer Enkel, der Junge aus Salvok, richtig?« Mein Kopf fuhr herum, und mein Mund klappte auf. Er sah mich noch immer unverwandt an. »Sie hat allerdings nie erwähnt, daß er stumm ist«, setzte er nachdenklich hinzu. Eine lange, unbehagliche Pause folgte, in der ich ihn mit verzweifelter Hoffnung ansah. Karas saß

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