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Ellorans Traum

Ellorans Traum

Titel: Ellorans Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances G. Hill
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sah, wie Karas unauffällig die geheimnisvolle kleine Dose hervorholte, die Rowald ihm gegeben hatte, und verstohlen etwas daraus in den Mund steckte. Der Edle Gioanî wirkte inzwischen leicht derangiert und nahm mit einem ungeduldigen Handgriff seinen umständlich gewickelten Kopfputz ab.
    »Also gut, du verdammter Bastard von einem Schweinehund«, knurrte er und fuhr sich durch die gesträubten schwarzen Haare. »Was verlangt die Krone von den Inseln?« Ich hielt den Atem an. Anscheinend hatte Karas die zweite Runde für sich entschieden. Und richtig: jetzt holte er die alten Verträge und Abkommen hervor und legte sie auf den Tisch.
    »Ihre Majestät, die Krone von L'xhan, Herrscherin über beide Raulikars, Norrbrigge und Olyss, Hüterin des Steins von Danann und Beschützerin des Glaubens, wünscht eine Verlängerung des freundschaftlichen Abkommens mit Ihrer Erhabenheit Lenora, der Großfürstin von Rhûn und Rhan, Schutzpatronin der südlichen Meere ...«
    Der Edle Gioanî hob eine gepflegte schmale Hand und stöhnte: »Karas, alter Kampfgenosse, ich kapituliere! Wenn du vorhattest, mich mit dem vollständigen Protokoll zu erschlagen, dann ist dir das hiermit gelungen. Klartext, mein dicker Freund! Die Großfürstin ist in einer recht unangenehmen Lage: Die T'jana-Fürsten von S'aavara rüsten zum Krieg gegen die Kronstaaten, und wie du weißt, sind der maior und der minor unsere mächtigsten Verbündeten und gleichzeitig unsere stärksten Gegner auf dem südlichen Meer. Die Inseln haben der Streitmacht der S'aavara nichts entgegenzusetzen. Wir können uns bei einem Konflikt zwischen der Krone und den T'jana auf keinen Fall auf eure Seite schlagen, das wäre unser Untergang.« Er schwieg und trank von seinem Wein. Karas steckte wieder etwas aus dem Döschen in seinen Mund. Gioanî fuhr fort: »Ich habe die Vollmacht, dir unsere weitgehende Neutralität in diesem Krieg anzubieten. Mehr kann ich leider nicht für dich tun, Karas.«
    Der Kammerherr rieb sich nachdenklich über den Hals. Dann sagte er freundlich: »Das ist mehr, als ich erwartet hatte, Gioanî. Aber du mußt verstehen, daß die Krone gerne ein Pfand für eure Neutralität ...«
    Der Botschafter sprang auf, hochrot im Gesicht. »Das ist eine Beleidigung, die nach Blut schreit!« brüllte er und griff nach dem schmucken Dolch in seiner Schärpe. Ich erhob mich alarmiert, aber Karas schüttelte nur knapp und unauffällig den Kopf.
    »Gioanî, hör auf zu schreien und setz dich wieder«, sagte er ruhig. »Wir haben doch schon oft darüber gesprochen, daß es für unsere beiden Völker von Vorteil wäre, sich etwas besser kennenzulernen. Mein Vorschlag ist: Wir schicken eine Anzahl von jüngeren Söhnen und Töchtern unserer höchsten Adligen an den Hof der Großherzogin, und ihr – nun, ich dachte an den jüngsten Sohn Lenoras. Er müßte doch inzwischen zehn oder elf sein, oder?«
    Gioanî ließ sich schwer in seinen Sessel fallen und starrte Karas wütend an. »Kommt nicht in Frage«, zischte er. »Der junge Avigdor ist bereits dem minor T'jana versprochen worden!«
    »Schade«, sagte Karas friedlich. Warum hatte ich nur das Gefühl, daß diese Auskunft ihn nicht im mindesten überraschte?
    »Aber wir könnten der Krone den Neffen der Großfürstin ...« Gioanî unterbrach sich und musterte Karas harmloses Gesicht aus zusammengekniffenen Augen. Dann holte er tief Luft und brach in ein unbändiges Gelächter aus. Karas sah ihn milde erheitert an.
    »Du verdammter hinterhältiger Sohn eines Kameltreibers – darauf hast du doch die ganze Zeit hinausgewollt!« brüllte Gioanî entzückt und hieb dem Kammerherrn auf die Schulter. Karas zuckte zusammen und verzog leicht das Gesicht. Dann lächelte er Gioanî erstaunlich echt an und ließ sich von ihm aufhelfen. Er legte dem schlankeren Mann seinen Arm um die Schultern und sagte leise: »Ich halte das für die beste Lösung, alter Freund. Du weißt, daß deinem Sohn hier nichts geschehen wird. Ich werde ihn behandeln, als wäre er mein eigener Junge.«
    Gioanî stieß die Luft aus und nickte. »Abgemacht. Ich schicke Cesco zu euch, sobald das Wetter es erlaubt. Ehrlich gesagt, ich bin froh, wenn der Junge sich mal eine Zeitlang woanders austobt. Meinem Haus wird ein bißchen Ruhe sehr gut tun!« Karas und der Edle grinsten sich an. Gioanî wandte sich zur Tür und sagte fast entschuldigend: »Du nimmst es mir nicht übel, wenn ich nicht zum Essen bleibe, ich werde mich noch heute auf den Rückweg

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