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Ellorans Traum

Ellorans Traum

Titel: Ellorans Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances G. Hill
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Sein Gesicht war schweißnaß und erschreckend grau. Ich nahm das Taschentuch, das er mir geliehen hatte, und tupfte sein Gesicht behutsam damit ab. Er nickte dankend und schleppte sich weiter. Am Kopf der Treppe ließ er meinen Arm nicht los, sondern stützte sich weiter auf mich, bis wir an unserem Ziel waren.
    Ich öffnete die verzierte Tür zu einem der kleineren Konferenzräume und half ihm, sich auf einen der zierlichen Sessel zu setzen. Er legte den Kopf zurück an die Lehne und rang erbarmungswürdig nach Luft. Ich sah mich in dem kalten und dunklen Raum um. Nicht eine der Kerzen brannte in den Haltern an der Wand, und auch der Kamin lag tot und schwarz da. Das war ungünstig, wenn ein Gesandter von den warmen, südlichen Inseln sich hier einigermaßen wohl fühlen sollte. Ich suchte vergebens nach irgend etwas, womit ich das Feuer hätte entzünden können, warf dann einen schnellen Blick auf den anscheinend halb besinnungslosen Kammerherrn und entschied, die einzige magische Handlung zu riskieren, die ich immer noch problemlos ausführen konnte. Ein tiefer, konzentrierter Atemzug, und im Kamin brannte ein anheimelndes Feuer. Eine zweite kleine Anstrengung, und rundum flammten die Kerzen auf. Mit einem zufriedenen Grinsen öffnete ich die Augen und begegnete dem klaren, aufmerksamen Blick des Kammerherrn. Er machte keine Bemerkung zu dem, was geschehen war, also hatte ich vielleicht Glück gehabt, und er hatte meine Vorstellung verpaßt.
    »Gut, Junge«, sagte er jetzt, und ich wurde wieder unsicher. »Sehr schön, daß du Feuer gemacht hast. Könntest du jetzt noch die beiden Stühle dort an das Tischchen rücken und die Vorhänge aufziehen? Der Gesandte müßte jeden Augenblick hier sein. Du kannst dich dort drüben hinsetzen, da findest du auch Schreibzeug und Papier. Ach ja, und läute doch bitte, damit man uns einige Erfrischungen bringt.«
    Ich tat, was er verlangte, und dann half ich ihm wieder auf die Füße, weil er den Edlen Gioanî nicht im Sitzen empfangen wollte. Ein Diener brachte Wein und süßes Gebäck und hielt dann die Tür auf für den Gesandten der Inseln Rhûn und Rhan, Sonderbotschafter der Großfürstin Lenora, einen der wichtigsten Verbündeten S'aavaras.
    Der Kammerherr und der Edle Gioanî waren etwa von gleicher Körpergröße, aber der Botschafter wirkte etliche Jahre jünger und um einige Pfunde leichter als Karas. Sein Aufzug stand dem des Kammerherrn in nichts nach: Ich bekam so die Gelegenheit, einen südländischen Adligen in der legendären Pracht der kostbaren, silber- und golddurchwirkten bunten Stoffe und der riesigen, strahlenden Juwelen seines Landes zu bewundern. Gegen diese augenbetäubende Farbigkeit und Opulenz wirkte der Kammerherr etwa so elegant wie eine aufgeputzte Hafenhure.
    Gioanî reichte dem Kammerherrn eine herablassende Hand. Ein ausgesucht höfliches Begrüßungszeremoniell nahm seinen Lauf. Endlich war das Vorspiel beendet, und Karas bot dem Edlen eine Erfrischung an. Beide nahmen Platz und belauerten sich einige Minuten lang.
    Dann begann das eigentliche Duell. Ich muß gestehen, daß ich Mund und Nase aufsperrte: Der Edle Gioanî beleidigte Karas auf das Tödlichste und gegen alle Regeln der Höflichkeit. Wenn ich nach der ersten halben Stunde hätte Punkte verteilen müssen, so hätte Gioanî klar und um Längen gesiegt: seine Fähigkeit zu exquisiten Schmähungen schien mir unerreichbar. Karas wehrte nur blaß und zurückhaltend einige der ehrenrührigsten Hiebe ab und enttäuschte mich mit dieser unvermuteten Schwäche zutiefst. Gioanîs goldhäutiges Gesicht mit der kühn gebogenen Nase dagegen zeigte unverhüllt verächtlichen Triumph nach dieser so eindeutig gewonnenen Runde. Beide Männer schöpften Atem und nippten an ihren Gläsern.
    Dann lächelte Karas sanftmütig und falsch, betupfte geziert seine Mundwinkel, klemmte das Glas in sein Auge und verfluchte Gioanî und alle seine Vorfahren in sämtlichen Sprachen der erforschten Welt, ohne auch nur einmal die Stimme zu erheben oder Atem zu holen. Der Gesandte wurde abwechselnd blaß und rot, schnappte in höchster Erregung nach Luft, und kurz darauf beschimpften die beiden aufgetakelten Männer sich wie zwei betrunkene Fischweiber. Mir kamen fast die Tränen. Wenn das die Kunst war, mit der Verbündete und Kriege gewonnen wurden, so hatte ich anscheinend die falschen Bücher gelesen. In meinen Ritterromanen verliefen solche diplomatischen Treffen immer völlig anders.
    Erneute Atempause. Ich

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