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Ellorans Traum

Ellorans Traum

Titel: Ellorans Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances G. Hill
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Würfel ab; aber auch von Konstellationen und Bündnissen auf dem Spielbrett. An diesem Punkt von Leonies Erklärungen bat ich um eine Pause.
    Sie lächelte sanft und sagte: »Wir spielen eine Partie, Elloran. Dann wirst du schnell begreifen, worum es geht. Mir fehlt im Augenblick ohnehin meine liebste Gegnerin, deine Großmutter. Vielleicht hast du ihr Talent für dieses Spiel ja geerbt.«
    Ich erwürfelte die Spitze und durfte meine Spielfigur wählen. »Ich n-nehme den Narren«, sagte ich ohne nachzudenken.
    Leonie blickte mich spöttisch an. »Das würde ich mir gut überlegen, Elloran. Der Narr ist eine sehr schwierige, unberechenbare Figur. Du solltest lieber mit dem Ritter oder der Königin anfangen.«
    »Was ist m-mit der Weißen Frau?« fragte ich.
    Sie legte den Kopf zurück und lachte ihr gurrendes Lachen. »Du bist ein Dickkopf, Elloran, genau wie deine Großmutter. Also gut, nimm den Narren, du kleiner Narr.«
    Natürlich hatte sie recht. Ich war kaum über die erste blaue Linie hinausgekommen, da hatten mich ihre Jäger schon umzingelt und getötet. Ich verlangte Revanche, und sie gewährte sie schmunzelnd. Aber auch beim nächsten und übernächsten Versuch gelang es mir nicht, die Heimatlinie zu erreichen. Doch zumindest schaffte ich es beim dritten Anlauf, bis über das Zentrum hinauszukommen und zwei der Jäger dabei außer Gefecht zu setzen.
    Leonie räumte das Brett frei und stellte die ursprüngliche Konstellation wieder her. Täuschte ich mich, oder hatte die neue Figur sich erneut um ein Stückchen auf die ›Burg‹ zubewegt?
    »W-Warum haben wir eigentlich nicht mit diesen F-Figuren gespielt?« fragte ich neugierig. Für unser Spiel hatte Leonie einfachere, stilisierte Spielfiguren aus bemaltem Holz aus einem Kästchen genommen. Sie dienten ihrem Zweck, entbehrten aber des Reizes, den diese fein ausgearbeiteten Steinfiguren auf mich ausübten.
    Leonie stellte behutsam den Narren wieder ins Zentrum des Brettes und sagte kurz: »Das sind Figuren für fortgeschrittenere Spieler, mein wißbegieriger junger Freund. Du bist noch lange nicht so weit, obwohl du dich für einen Anfänger heute gut geschlagen hast.« Sie schob eine Strähne ihres schneeigen Haares aus der Stirn und streckte sich dann wie eine Katze. »Genug für heute, Elloran. Wir sehen uns morgen wieder.« Sie schnippte leicht mit den Fingern, und die Tür öffnete sich für mich. Ich grinste sie an, und sie hob eine Augenbraue. Ich schloß kurz die Augen. Im Zimmer erloschen alle Kerzen. Sie schnaufte empört und sagte: »Jetzt mach aber, daß du rauskommst, du unverschämter Bengel!« Die Kerzen flammten wieder auf. Ich wurde von einem heftigen Windstoß zum Zimmer hinausgefegt. Die Tür schlug zu, und immer noch kichernd ging ich zurück an meine Arbeit. 

13
    D as Leben auf der Kronenburg gefiel mir mehr und mehr, trotz der erbarmungslosen Strenge, mit der mein Herr und Meister mich antrieb. Ich arbeitete härter, als ich es je in meinem Leben getan hatte, aber ich genoß auch meine spärliche Freizeit wie noch nie zuvor. Inzwischen hatte ich einen Teil der Burg schon recht gut erforscht und weitete meine Expeditionen auf weiter entfernte Gebäudeteile aus. Doch der gesamte Komplex war derart verwinkelt und ineinander verschachtelt und dabei von so unfaßbarer Ausdehnung, daß ich wahrscheinlich ein Leben lang brauchen würde, jede Ecke der Burg zu erkunden.
    Kammerherr Karas war ein überaus großzügiger Mann. Die schlichten, solide gearbeiteten Kleidungsstücke, die sein Schneider mir angefertigt hatte, bestanden aus edlem Stoff, wenn auch für meinen Geschmack etwas zu zurückhaltend in den Farben: die vorherrschenden Töne waren Dunkelgrün, Dunkelblau und Schwarz. Karas hatte sich strikt geweigert, sie mich selbst bezahlen zu lassen, was mir bei meinem Salär als sein persönlicher Sekretär ohne weiteres möglich gewesen wäre.
    Unser Verhältnis war im Laufe der Wochen zu einer Vertrautheit gediehen, die mir noch immer ein wenig unheimlich war, die ich aber, wenn ich ehrlich zu mir war, auch immer mehr zu schätzen wußte. Ich genoß unsere friedvollen gemeinsamen Abendessen, nach denen wir bei einem vorzüglichen Wein die bemerkenswertesten Ereignisse des Tages rekapitulierten, er behutsam meine Fortschritte überprüfte und mir neue Lektüre empfahl, oder wir einfach nur entspannt und freundschaftlich beieinander saßen, schwiegen, tranken, plauderten.
    Mit der Zeit lernte ich auch, mit seiner dunklen Seite

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