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Ellorans Traum

Ellorans Traum

Titel: Ellorans Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances G. Hill
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verdienten?
    Ich sah nur, wie Galen und der Kammerherr einen enttäuschten Blick wechselten, bevor Karas müde um eine Vertagung der Sitzung bat. Das Ergebnis der Woche war, daß Karas und Galen mit dem Auftrag, sich bitte etwas Besseres einfallen zu lassen, in der ersten Frühlingswoche glücklich wieder da angelangt waren, wo sie Mitte des Dunklen Winters begonnen hatten.
    Mein siebzehnter Geburtstag, der mich, wenn ich ein Junge gewesen wäre, offiziell zum Mann gemacht hätte, ging völlig unbeachtet vorbei. Noch nicht einmal ich selbst hatte an ihn gedacht, und erst eine leicht verspätete, spöttische Grußbotschaft von Julian erinnerte mich daran. Magramanir landete auf meiner Schulter und ließ ein winziges Päckchen, das sie im Schnabel transportiert hatte, zu Boden fallen, so daß ich erst einmal auf Händen und Füßen durch den Schnee kriechen mußte, um es wiederzufinden. »Alles Gute zum Geburtstag, lieber Elloran, und immer schön üben!« krächzte sie mit Julians Stimme. Dann flog die Rabenfrau fort, und ich kniete lachend im Schnee, einen kaum handtellergroßen Spiegel in der Hand. Anscheinend war es Julian nicht entgangen, daß Leonie nachdrücklich damit begonnen hatte, mich in den Feinheiten der Spiegelmagie zu unterweisen – was er davon hielt, wußte ich ja zur Genüge.
    Leonie, der ich den Spiegel zeigte, lächelte verhalten und sah mich dann mit ihren unergründlichen Augen an. »Du bist jetzt wie alt? Sechzehn? Ein Erwachsener, Elloran. Erschreckt dich das?«
    Ich hatte, ehrlich gesagt, noch überhaupt nicht darüber nachgedacht, was das für mich bedeutete. Als der Erbe von Salvok wäre ich vor wenigen Tagen offiziell und feierlich zum Nachfolger Moraks ernannt worden, wenn ich noch zu Hause gewesen wäre ... Seltsam, daß ich daran gar nicht gedacht hatte. Ich wurde das Gefühl nicht los, daß Morak es geschafft hätte, diese Zeremonie irgendwie zu verhindern. Aber Salvok war so weit fort – mein Leben verlief hier, das wurde mir jetzt so bewußt wie nie zuvor.
    Leonie sah meine nachdenkliche Miene und sagte: »Denk in Ruhe über meine Frage nach, Elloran. Was willst du mit deinem Leben anfangen? Du bist kein Kind mehr, und du solltest aufhören, andere Leute über dich entscheiden zu lassen. Was stellst du dir vor?«
    Mir war klar, wen sie mit ›andere Leute‹ meinte. Ihre Frage beunruhigte mich zutiefst. War ein Leben als Hofbeamter, wie Karas es mir anbot, wirklich das Leben, das ich mehr als alles andere zu führen wünschte? Was war es, das Leonie mir anbot, zwar nie ausgesprochen, aber doch immer da, verlockend, ungewiß ...
    Ich saß lange schweigend und grübelnd da, bis Leonie mich neckend am Ohr zupfte und sagte: »Komm, Elloran, du mußt nicht alle Probleme der Menschheit an einem Nachmittag lösen. Behalte meine Frage nur im Auge, das ist alles, was ich von dir verlange. Jetzt zeige mir, was du gestern gelernt hast.«
    Ich vergaß ihre Frage nicht und begann, meine Arbeit für den Kammerherrn sehr kritisch zu beobachten. Es war eine sicher sehr wichtige, ehrenhafte und oft stumpfsinnige Plackerei für das ›Wohl der Krone‹, die ich persönlich nie zu Gesicht bekommen würde. Mir fielen Karas' ketzerische Worte zu Leonie wieder ein, aus einer Verzweiflung heraus geäußert, die ich immer noch nicht zu deuten wußte: Die Krone ist eine harte Herrin.
    In diese Zeit des ersten Frühlings fiel erneut eines von Karas' heftigen Zechgelagen. Es war kurz nach der Klausurwoche mit dem Kronrat – und weil ich den Kammerherrn inzwischen recht gut einzuschätzen wußte, hatte ich schon damit gerechnet. Es begann wie immer: Karas weigerte sich, etwas zu essen, fuhr mich grundlos und unverhältnismäßig scharf wegen einer Akte an, die er selbst in der Unordnung auf seinem Schreibtisch verlegt hatte, und schickte mich mittags zum Kellermeister Radolf, damit ich ihm einen Krug Wein holte.
    Radolf bohrte seine Zunge in die Wange, schnitt eine ulkige Grimasse, um mich zum Lachen zu bringen und drückte mir einen großen Krug mit dunklem Rotwein in die Hände.
    »Meinst du, er kommt damit aus?« fragte er.
    Ich hob die Schultern. »Wenn nicht, k-komme ich noch mal vorbei, und hole Nachschub.«
    »Tu das, Junge. Ich freue mich immer über Besuch«, beschied mir der dürre Norrländer mit breitem Lächeln.
    Karas beendete äußerst übelgelaunt den Tag früher als sonst und zog sich mit einem frischen Weinkrug in sein Quartier zurück. Ich legte mich mit der Aussicht auf einen langen,

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