Ellorans Traum
Hand, den ich ihm gerade reichen wollte und füllte ihn sich selbst. Der betäubende Dunst von schwerem, dunklem Würzwein erfüllte den kleinen Raum. Mit abstoßender Hast schüttete Karas den Wein hinunter und schenkte sich sofort mit zitternden Händen nach. Mich überkam ein heftiges Ekelgefühl bei seinem Anblick. Ich ging schnell hinaus, ohne ihn um Erlaubnis gefragt zu haben.
Nach einigen Stunden Schlaf fühlte ich mich etwas besser und raffte mich auf, um nach Karas zu sehen. Er lag halb bewußtlos auf dem Diwan, besoffen wie ein Schwein und atmete schwer und röchelnd. Die Kanne lag leer neben ihm. Diese Menge Wein hätte eigentlich ausreichen müssen, um eine Kompanie Wachsoldaten in gehobene Stimmung zu versetzen. Ich wandte mich angewidert ab und wollte wieder in mein Bett zurückkehren, da hielt mich seine Stimme auf.
»Mein lieber Junge«, murmelte er schleppend. Ich stand da, mit dem Rücken zu ihm. Irgend etwas hinderte mich daran, einfach wieder zu gehen. Karas seufzte, und ich fand mich an seinem Lager wieder, seine Hand in der meinen. Seine Augen irrten unstet umher, suchten meinen Blick. Mein Zorn war fort, wie weggeblasen. Heftiges Mitleid für ihn erfüllte mich. Karas drückte schwach meine Hand, und seine Lippen formten eine lautlose Bitte um Vergebung. Ich verbrachte die Nacht wachend neben ihm, lauschte seinen schweren, mühsamen Atemzügen und dachte nach. Irgendwann gegen Morgen kam sein Diener herein, und ich schickte ihn zu Radolf, um mehr Wein zu holen. Ich hatte das Gefühl, daß die Sache noch nicht ausgestanden war.
Karas rührte sich, kurz nachdem Mikel mit dem Wein zurückgekehrt war, und ich ihn wieder fortgeschickt hatte. »Bitte«, flüsterte er. »Bitte.« Ich setzte den Becher an seine Lippen. Er trank gierig, und seine Hand krallte sich krampfhaft um meine. Dann lag er sehr ruhig. Ich wischte ihm den Schweiß vom Gesicht.
»M-möchtet Ihr nicht lieber in Eurer Bett?« Er nickte schwach, mit geschlossenen Augen. Ich hievte ihn mit geübtem Griff empor und führte den taumelnden, schwankenden, nahezu bewußtlosen Mann hinüber in das andere Zimmer. Dort half ich ihm aus dem Schlafrock und ließ ihn behutsam auf sein Bett niedersinken. Ich deckte ihn sorgfältig zu und vernahm voller Sorge seinen röchelnden, schluchzenden Atem. Sein Gesicht war leichenblaß und eingefallen, und Tränen schimmerten auf seinen Wangen.
»S-soll ich einen Heiler holen, domu ?« fragte ich, überzeugt, daß nicht nur der Alkohol an seinem Zustand schuld sein konnte.
»Nein!« fuhr er empor. »Nein ...« Er fiel zurück in die Kissen. »Das hat ja doch keinen Sinn.« Seine Stimme versagte. »Gib ... gib mir ...«
Ich hielt seine Hand fest, die blind nach dem Becher tastete und fragte unsicher: »Wäre es nicht b-besser, wenn Ihr damit aufhörtet? Ihr b-bringt Euch um, Kammerherr!« Er lachte: heiser, stoßend, hustend. Es tat mir weh, das zu hören. »Bitte, domu !« flehte ich. Er tastete schluchzend vor Begierde immer noch nach dem Becher. Ich gab ihn ihm in die Hand und sah verstört zu, wie er den Wein hinunterstürzte, im Trinken schon nach mehr verlangend. Ich tat ihm seinen Willen, während Tränen der Hilflosigkeit über mein Gesicht liefen.
»Erzähl mir etwas«, bat er kurzatmig. »Erzähl mir ...« Ich wußte nicht, was er wollte und redete einfach los, von Schluchzern geschüttelt. Sprach über Nikal, über Jemaina, über Tom ... Irgendwann bemerkte ich, daß sein Griff um meine Hand sich gelockert hatte und er eingeschlafen war.
Vier Tage und drei Nächte lang hielt ich an seinem Bett durch, sah zu, wie er trank und schlief, trank und weinte, trank und unverständliches Zeug murmelte, trank und trank. Ich stand nur auf, wenn ich sicher war, daß er schlief, ging ruhelos ein paar Schritte auf und ab, setzte mich wieder zu ihm. Ich wußte nicht, was ich tun sollte. Jedes meiner Angebote, einen Heiler zu rufen, hatte er so vehement abgeschmettert, wie ihm das in seinem Zustand nur möglich war. Zwischendurch nutzte ich immer wieder meine im Arbeitshaus erworbene Fähigkeit, mit offenen Augen minutenlang zu schlafen, bis Karas sich erneut regte und nach Wein verlangte. Aus einem dieser Nickerchen weckte mich ein rauhes Flüstern.
»Vee. Veela. Bitte. Bitte, Vee.« Ich beugte mich zu ihm hinunter und sah seine Augen flehend auf mich gerichtet.
»Ich b-bin es, domu «, sagte ich begütigend. »Elloran. Ich bin hier b-bei Euch.«
Er reagierte nicht auf meine Worte, sah mich nur
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