Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ellorans Traum

Ellorans Traum

Titel: Ellorans Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances G. Hill
Vom Netzwerk:
weiter an, während die Tränen über sein Gesicht liefen und murmelte mit schwerer Zunge: »Veela. Bitte, ich kann nicht mehr. Mach ein Ende, Vee ...« Seine Finger umklammerten meine Hand, und er zog mich mit aller verbliebenen Kraft zu sich herunter. »Du hast es mir versprochen«, wisperte er in mein Ohr. »Du hast mir versprochen ...« Seine Stimme verklang. Der Griff um meine Hand lockerte sich, aber sein gepeinigter Blick hielt mich fest und zerrte an mir.
    In meiner Verzweiflung griff ich zu Radolfs Mittel für den Notfall, dem kleinen Krug, der einen klaren, starken Schnaps enthielt, und flößte Karas seinen Inhalt ein. Danach fiel der Kammerherr in eine Bewußtlosigkeit, die es mir erlaubte, einige Stunden unruhigen Schlafs in meinem Bett zu verbringen. Aber dann rief mich erneut Mikel, und ich saß wieder neben Karas' Bett, hielt seine immer kälter werdende Hand und sprach auf sein teilnahmslos gequältes, graues Gesicht ein.
    Ich war in einen meiner kurzen, wenig erholsamen Schlummer gefallen, als leise, raschelnde Schritte mich weckten, die sich Karas' Bett näherten. Ich schreckte hoch, seine Hand immer noch in meiner Hand, und spürte eine langfingrige Berührung auf meiner Schulter. »Kleiner Narr«, sagte eine vertraute Stimme, »warum hast du mir nicht Bescheid gesagt?«
    »Leonie«, rief ich gedämpft und sprang auf.
    Sie beugte sich über den Kammerherrn und zog eine kleine Phiole aus ihrer Tasche. Er öffnete zum ersten Mal seit Stunden wieder die Augen und sah zu ihr auf.
    »Nein«, flüsterte er matt. Ich sah den hilflosen Zorn in seinem eingefallenen Gesicht.
    »Karas, du sturer alter Hund«, sagte Leonie fast zärtlich. »Ich bin nicht deine Feindin. Wann begreifst du das endlich?« Sie griff mit sanfter Gewalt zu und zwang ihn unnachgiebig, den Inhalt der Phiole zu schlucken. Er wehrte sich schwach, und ich konnte nur wie erstarrt dabei zusehen. Endlich hatte sie es geschafft, sein Gesicht erschlaffte, die abwehrenden Hände fielen herab, und seine Augen schlossen sich.
    »Du bist so dickköpfig, Kammerherr«, murmelte Leonie. »Genau wie deine Mutter – und fast so stur wie dein verdammter Vater.« Sie lachte gurrend. »Erspar mir d-deine Ratschläge, W-Weib«, imitierte sie spöttelnd die heisere Stimme eines Mannes und deckte dabei den Bewußtlosen liebevoll zu.
    Dann wandte sie sich zu mir. »Geh zu Bett, Elloran. Das Schlimmste ist vorbei. Beim nächsten Mal holst du mich gefälligst und läßt mich nicht erst nach dir suchen, hörst du?« Ich nickte betäubt und ließ mich von ihr zu Bett bringen wie ein kleines Kind.
    Ich mußte einen Tag und eine Nacht geschlafen haben wie ein Toter. Als ich aufwachte, fühlte ich mich noch immer zerschlagen. Ich sprang in meine Kleider und rannte fast zu Karas' Quartier. Dort erwartete mich eine Überraschung: Der Kammerherr saß aufrecht in seinem Bett, umgeben von Papieren und Aktenmappen und winkte mir munter zu, als ich eintrat.
    »Guten Morgen, mein lieber Junge. Wie geht es dir?« Er sah noch nicht gesund aus, sein Gesicht war immer noch erschreckend grau, und die Hände bebten stark, aber in seinen Augen stand wieder der alte, verschmitzte Ausdruck, und seine Stimme, obwohl schwach, verriet unverwüstlich gute Laune.
    Ich schnaufte erleichtert und ließ mich neben seinem Bett auf den Sessel fallen, in dem ich etliche schreckliche Stunden durchlebt hatte. Karas schob einen Stapel Papier beiseite und beugte sich zu mir. Er nahm meine Hände und drückte sie stumm und um Worte verlegen. Ich lächelte ihn breit und etwas zittrig an und erklärte nachdrücklich: »Ich bin sehr f-froh, daß es Euch besser geht, domu Karas!«
    Er ließ mich los und kicherte schwach. »Die alte Hexe hat mir wahrscheinlich das Leben gerettet.« Besonders zu freuen schien ihn das allerdings nicht. Er räusperte sich und sagte dann geschäftsmäßig: »Es ist sehr viel Arbeit liegengeblieben, mein Sohn. Fühlst du dich in der Lage, einige Papiere mit mir durchzugehen, oder brauchst du noch Ruhe?«
    Ich beeilte mich, ihm zu versichern, daß ich ganz und gar erholt sei und darauf brenne, an meine Arbeit zurückzukehren – was nur sehr bedingt der Wahrheit entsprach. Wir verbrachten ein oder zwei unterhaltsame Stunden damit, eine wunderbar verschnörkelte, unverständliche, mit Paragraphen und Zitaten aus Erlassen der Krone gespickte Antwort auf eine verworrene Beschwerde eines Kronratsmitglieds gegen eine seiner Meinung nach unzumutbare Entscheidung des Kammerherrn

Weitere Kostenlose Bücher