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Ellorans Traum

Ellorans Traum

Titel: Ellorans Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances G. Hill
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ermüdenden Abend für zwei Stunden aufs Ohr und betrat dann die Gemächer des Kammerherrn. Heute war er zur Abwechslung eher streitlustig gestimmt. Schon nach wenigen Minuten wußte ich, daß ich den Abend nicht überstünde, wenn ich selber nüchtern blieb. Also griff ich opferbereit nach einem Becher und versuchte, mit Karas mitzuhalten. Glücklicherweise hatte er einen halben Tag und fast zwei Krüge Vorsprung, sonst hätte Mikel uns am Ende noch beide ins Bett bringen müssen.
    So aber schaffte ich es gerade noch, zwar heftig um mein Gleichgewicht bemüht und von Wellen der Übelkeit zeitweilig außer Gefecht gesetzt, den Kammerherrn eigenhändig zu versorgen und mich selbst, wenn auch vollständig bekleidet, auf mein schwankendes Bett zu werfen. Mein Erwachen am anderen Morgen war entsprechend qualvoll. Ich wechselte die Kleider und traf mit Verspätung zum Frühstück bei Karas ein.
    Der Kammerherr saß sehr aufrecht in seinem Sessel, die Hände um den silbernen Knauf seines Stockes gekrampft, sein Gesicht fahlgrau und verkniffen – und herrschte mich an: »Was fällt dir ein, mich warten zu lassen?« Ich stammelte verletzt eine Entschuldigung, die sehr ungnädig angenommen wurde. Er stemmte sich auf die Beine, wobei er meine Versuche, ihm dabei zu helfen, schroff abwehrte, und zwang mich durch sein ungewohnt forsches Tempo, mit brummendem Schädel hinter ihm her zu seinem Arbeitszimmer zu stolpern.
    Es ging mir herzlich elend, und Karas schien es an diesem Vormittag darauf anzulegen, daß es mir noch schlechter ging. Ich begann, ihn und seinen verdrießlich zusammengepreßten Mund, der nur bösartige, zynische Bemerkungen über meine mangelhaften Fähigkeiten ausspie, nach Strich und Faden zu hassen. Sehr früh am Vormittag begann er, den Rest des Weines auszutrinken, den ich ihm am gestrigen Tag geholt hatte, und wurde dadurch nur noch unleidlicher.
    Ein Mitarbeiter, der des Kammerherrn giftige Anmerkungen zu einer eher unwichtigen Verwaltungsangelegenheit über sich ergehen lassen mußte, war nach einigen Minuten den Tränen nahe und warf mir hilfesuchende Blicke zu, die ich nur genauso unglücklich erwidern konnte. Karas holte schwungvoll zu einer neuerlichen Schimpfkanonade aus, wechselte unversehens die Farbe und klappte den Mund wieder zu.
    »Wir sprechen später darüber«, sagte er zu dem verblüfften und erleichterten Beamten und schickte ihn mit einer unwirschen Handbewegung hinaus. Dann saß er eine Zeitlang mit geschlossenen Augen da und rang schwer und keuchend nach Luft. Ich bemerkte mit hämischer Genugtuung die Schweißperlen auf seiner Stirn. Karas legte die Stirn in die zusammengekrampften Hände und flüsterte fast unhörbar: »Sag alle weiteren Termine für heute und morgen ab.«
    Ich wandte verblüfft ein: »Aber der B-Botschafter ...«, doch er unterbrach mich heftig: »Tu, was man dir aufträgt, Bursche! Ich bin in meinem Quartier und erwarte dich dort!«
    Mit hochrotem, zornigem Kopf stürmte ich aus dem Arbeitsraum und machte meine Runde. Nein, für heute sei alles abgesagt, der Kammerherr sei indisponiert. Nein, auch morgen sehe es eher schlecht aus. Ja, übermorgen stünde domu Karas sicherlich wieder zur Verfügung.
    Meine letzte Station war der Botschafter, der die Nachricht mit unbewegtem Gesicht entgegennahm. »Kann ich etwas für den Kammerherrn tun? Soll ich ihm meinen Heiler schicken?« fragte er kalt, und ich verneinte.
    Immer noch vor Wut kochend, begab ich mich zu Karas' Privaträumen. Er lagerte im Schlafrock auf seinem Diwan und empfing mich, kaum daß ich einen Schritt in den Raum getan hatte, mit der barschen Anweisung: »Lauf zu Radolf und bitte ihn um eine ordentliche Portion von seiner stärksten Medizin!«
    Ich salutierte, bellte: »Zu B-Befehl!« und knallte die Tür hinter mir zu.
    Radolf machte ein bedenkliches Gesicht, als ich die Bestellung aufgab. »Ist es ein sehr schlimmer Anfall?«
    »Er kujoniert alle in seiner Umgebung, mich am m-meisten und hat für z-zwei Tage alle Termine abgesagt«, antwortete ich knapp und böse. Radolf pfiff tonlos und verschwand im Keller. Nach einigen Minuten tauchte er mit einer großen Kanne und einem kleineren Krug in der Hand wieder auf und stellte beides vor mich hin.
    »Wenn das nichts nützt«, er wies auf die Kanne, »dann gib ihm von dem anderen Zeug. Aber vorsichtig, das brennt Löcher in Schuhsohlen!«
    Karas einziger Kommentar war: »Wo hast du dich die ganze Zeit rumgetrieben?« Dann riß er mir den Becher aus der

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