Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ellorans Traum

Ellorans Traum

Titel: Ellorans Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances G. Hill
Vom Netzwerk:
so: Ich mußte mich dem unangenehmen Gespräch endlich stellen.
    Nikal wartete schon auf mich. Eine Weile blickte er mich nur schweigend an. Sein Ausdruck war schwer zu deuten, bekümmert und gleichzeitig fragend oder bittend – es fiel mir schwer, meine steinerne Miene zu bewahren. Aber sein Verrat lastete noch zu sehr auf meinem Herzen. Ich konnte ihm nicht so einfach vergeben.
    Er deutete auf einen Schemel. »Warum habt ihr euch eigentlich geprügelt, Jenka und du? War es was Ernstes?« fragte er nüchtern.
    Ich war ihm dankbar für seinen nüchternen Tonfall und bemühte mich deshalb ebenfalls darum. Ich versicherte ihm, jede Unstimmigkeit zwischen Jenka und mir sei nunmehr völlig aus der Welt geschafft, und der Anlaß sei eher nichtig gewesen. Alles in bester Ordnung, und er möge jetzt bitte meine Strafe bestimmen und mich gehen lassen.
    Nikals Gesicht wurde traurig. Er stand auf und ging ans Fenster. Dort stand er eine Zeitlang, die Hände auf dem Rücken, und starrte hinaus. Ich rutschte in Erwartung einer ordentlichen Standpauke unruhig auf dem Schemel hin und her.
    »Was ist los?« fragte er, ohne sich umzudrehen. »Was habe ich dir getan?« Er wartete, und ich beobachtete das nervöse Spiel seiner Finger. Nach einer endlos erscheinenden Zeitspanne drehte er sich um und sah mich an. Er seufzte und hob mit einer hilflosen Geste beide Hände.
    »Willst du mir noch nicht mal die Gelegenheit geben, mich bei dir zu entschuldigen, wenn ich dir weh getan habe? Elloran, bitte. Sag mir, was los ist.«
    Ich kniff die Lippen zusammen. Nikal kniete vor mir, so daß sein Gesicht mit meinem auf einer Höhe war. Dann nahm er mich bei den Schultern und sah mir in die Augen. Ich spürte Tränen in meine Augen schießen und biß die Zähne so stark aufeinander, daß meine Kiefer schmerzten.
    »Bitte, Elloran«, wiederholte er drängend. Ich schüttelte trotzig den Kopf, mehr, um die Tränen zu vertreiben, als um ihn abzuwehren, aber er verstand mich falsch. Seine Hände fielen von meinen Schultern, und er stand schwerfällig auf. Mit einem Mal sah er müde und alt aus. Ich hatte ihn immer wie einen älteren Bruder angesehen, aber nun begriff ich mit schmerzlicher Klarheit, daß Nikal sogar um einige Jahre älter sein mußte als mein eigener Vater. Unwillkürlich griff ich nach seiner Hand. Ich sah die Hoffnung in seinen Augen und konnte ihn nicht mehr enttäuschen.
    »Es – es tut mir leid«, murmelte ich. »Ich habe mich ziemlich kindisch verhalten, glaube ich.« Nikal nahm mich wortlos und erleichtert in den Arm. Ich barg mein Gesicht an seiner Schulter und kam mir sehr dumm vor. Vielleicht war die ganze Sache ja nur ein riesengroßes Mißverständnis, und ich hätte ihn oder meine Mutter nur fragen müssen, um eine einfache Erklärung für alles zu bekommen. Ich wußte, daß ich mich selbst belog, aber ich schluckte nur und erwiderte unbeholfen Nikals Umarmung.
    »Möchtest du es mir sagen?« fragte er leise in mein Ohr. Ich schüttelte stumm den Kopf.
    »Ist es denn jetzt wieder gut?« Ich nickte, genauso stumm. Ein tiefer Atemzug durchströmte seinen Leib. »Bei allem, was passiert ist und vielleicht noch passieren mag, vergiß bitte eines nie: Ich liebe dich und will dir auf keinen Fall weh tun. Bitte, Kleiner, glaub mir das!«
    Die vertraute Anrede und sein drängender, liebevoller Tonfall machten mich lächeln. Für den Augenblick waren die Tränen vergessen. Er schob mich ein Stück fort und sah mich forschend an. »Freunde?«
    »Freunde«, antwortete ich erleichtert und glücklich.
    Er nickte, und sein zerfurchtes Gesicht glättete sich wieder. »Auf die Gefahr hin, daß ich unsere Freundschaft damit gleich wieder gefährde ...«, er unterbrach sich und setzte eine dienstliche Miene auf, » ... ich muß dir noch eine Strafe für die ungehörige Prügelei auf dem Hof aufbrummen. Du wirst Torkal helfen, den Waffenschuppen zu streichen.« Er grinste über mein wenig begeistertes Gesicht. »Melde dich sofort bei ihm. Ab jetzt!«
    Ich war schon halb zur Tür hinaus, als er mich noch einmal anrief: »Kleiner?«
    Ich drehte mich fragend um. Geblendet von der Helligkeit außerhalb der düsteren Wachstube konnte ich sein Gesicht nicht mehr deutlich erkennen, aber ich hörte das Lächeln in seiner Stimme: »Keine Schlägereien mehr mit irgendwelchen Mädchen, klar?«
    »Klar!« gab ich inbrünstig zurück und machte mich auf den Weg, meine Strafe anzutreten. Um die Ecke der Wachstube biegend, stolperte ich über Jenka,

Weitere Kostenlose Bücher