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Ellorans Traum

Ellorans Traum

Titel: Ellorans Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances G. Hill
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den Hauch von Sehnsucht in ihrer Stimme. Jenka war ›anders‹, so wie ich. Wo mein Stand als Sohn des Burgherrn und meine körperliche Andersartigkeit mich von den anderen trennte, taten dies bei Jenka ihre fremde Herkunft und ihre Hautfarbe. Die Leute aus Olyss waren in unserer Gegend nicht allzu angesehen: ›hergelaufenes Lumpenpack‹ war noch eine der harmloseren Bezeichnungen. Mehr aber trug Jenkas hitziges Temperament und ihre Weigerung, sich wie ein Mädchen zu benehmen, dazu bei, daß die anderen Kinder sie mieden.
    Bald bekam ich am eigenen Leib zu spüren, was es bedeutete, sich mit einem Mädchen herumzutreiben. Ich kam hungrig und müde von einem unserer Ausflüge zurück in die Burg. Vor den Stallungen lungerte der dicke Bernak mit seinem Gefolge herum. Sein feistes Gesicht glänzte vor hämischer Freude, als er mir in den Weg trat. Die anderen kreisten mich ein und knufften sich in Erwartung eines spannenden Schauspiels in die Seiten. Bernak baute sich vor mir auf und grinste sein boshaftestes Grinsen.
    »Na, wen haben wir denn da?« Er sah beifallsheischend in die Runde, gespieltes Erstaunen im Gesicht. »Das ist doch wohl nicht etwa das hübsche Töchterchen unseres gnädigen Herrn?« Die Umstehenden johlten und klatschten. Bernak stieß mir seinen fetten Zeigefinger in den Bauch. »Wo hast du denn deine Freundin gelassen, das olyssische Lumpenmädchen? Die Kleine ist tausendmal mehr ein Junge, als du es jemals sein wirst, du Zimperliese!«
    Die Bande grölte begeistert, und ich biß die Zähne zusammen. Ich hatte keine Chance gegen die streitlustige Horde und – obwohl es mir schwerfiel, das zuzugeben – ich hatte Angst. Bernak mochte ein dummer, aufgeblasener Kerl sein, aber er hatte seine Stellung als Anführer nicht zuletzt seinen schlagkräftigen Fäusten und der gefürchteten Wucht seiner Fußtritte zu verdanken. Ich war inzwischen zwar fast so groß wie er, aber bei weitem nicht so kräftig. Also schluckte ich seine Beleidigungen lieber hinunter. Für feige hielten die Burschen mich ohnehin, und ich verspürte nicht den Ehrgeiz, das zu ändern.
    Bernak grunzte enttäuscht, da ich mich nicht reizen ließ und ging dazu über, mich zu umtänzeln und unter einem Strom von Schmähungen zu knuffen und zu schubsen. Seine Gefolgschaft begleitete das Schauspiel mit anfeuernden Zurufen, Lachen, Klatschen und einem Chor von höhnenden Gesängen.
    »He, T'svera! Denkst du etwa, dein geliebter Hauptmann Nikal kommt und rettet dich?« höhnte Bernak feixend. »Der hat kein Interesse an kleinen Mädchen, der steht auf richtige Männer!«
    Plötzlich sah ich die Welt wie durch einen roten Nebel. Mit einem wütenden Aufschrei stürzte ich mich auf meinen Peiniger. Bernak taumelte völlig überrumpelt zurück und fiel fast auf den Rücken. Schon hatte ich ihm die Nase blutig geschlagen und wollte gerade damit anfangen, ihm den häßlichen Kopf von seinem feisten Nacken zu schrauben, als die anderen sich aus ihrer Erstarrung lösten. Mit markerschütterndem Geschrei warfen sie sich auf mich und ließen einen Hagel von Schlägen auf mich niederprasseln.
    Die Geschichte wäre sicher übel für mich ausgegangen, hätte nicht der kahle Kerim diesen Augenblick gewählt, um nachzusehen, was der Tumult vor seiner Schmiede zu bedeuten hatte. Er räumte mit seinen baumstammdicken Armen die Jungen ab, die auf mir lagen, als wären sie nur ein Haufen schmutziger Wäsche, und verteilte dann einige gutgezielte Ohrfeigen und Fußtritte. Die Aussicht auf mehr davon vertrieb die Burschen so schnell, als hätte ein Sturmwind sie davongeblasen. Ich hörte noch den dicken Bernak laut und schrill Rache schwören, dann stand ich alleine da, den hünenhaften Schmied vor mir, der mich grimmig ansah.
    So kam ich zum zweiten Mal in diesem Sommer zu einer Strafpredigt wegen Herumprügelns auf dem Burghof und zu einer weiteren Schicht grüner, übelriechender Salbe auf meinem lädierten Gesicht. Und alles nur wegen eines mageren, olyssischen Mädchens! Ich will zwar nicht behaupten, daß ich das alles mit Freuden für Jenka ertragen hätte, aber ihre Freundschaft ließ mich diese Widrigkeiten zumindest schnell wieder vergessen.
    Nikal und ich bemühten uns indessen, unser altes, vertrautes Verhältnis wiederherzustellen. Ich versuchte, das Geschehene zu vergessen. Nikal war mein ältester Freund auf Burg Salvok, und wenn ich mir manchmal in einem sehnsüchtigen Augenblick ausmalte, wie ich mir meinen Vater wünschte, dann war es in

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