Ellorans Traum
daß du m-mein Onkel bist?«
Magramanir sah mich gleichgültig an. »Dein was? Ach so, die alte Geschichte. Wen kümmert das denn?«
»M-mich vielleicht?«
»Warum?«
»Weil ...« Ich stockte. Ganz unrecht hatte er ja nicht. Was bedeutete das im Grunde schon? Wir waren miteinander befreundet, das war wahrscheinlich mehr, als die meisten Neffen von ihren Onkeln behaupten konnten. »Weil es sich eben so g-gehört«, schloß ich lahm. Magramanir lachte.
»Also gut, dann bin ich eben dein Onkel, weil sich das so gehört. Und was ändert das? Junge, ich hab dir doch erzählt, daß Magier keinen sehr ausgeprägten Familiensinn kennen. Was soll das also?«
»Wir kennen k-keine Familien, keine Bindungen, wenig Nachsicht und keine L-Liebe für euch Kurzlebige« , flüsterte ich.
»Was sagst du da?« fragte Julian überrascht. Ich schüttelte mich und antwortete: »Ach, vergiß es. Warum warst du in S'aavara?«
Julian hustete, was sich aus dem Schnabel eines Raben sehr ulkig anhörte. »Sag mal, was gibt das hier? ›Fragen wir unserem lieben Onkel Löcher in den Bauch, bis er schreit?‹ Was geht es dich Rotznase an, wo ich hinreise?«
»Ich werde doch noch f-fragen dürfen.«
»Klar, aber wundere dich nicht, wenn du keine Antworten bekommst«, schnappte Julian. »Ich habe der Heimat deiner geliebten Leonie einen kleinen Besuch abgestattet, weil sie mich interessierte. Ich kann schließlich reisen, wohin ich will, oder muß ich neuerdings meinen gerade seinen Windeln entwachsenen Neffen dafür um Erlaubnis bitten?«
»L-Leonie ist S'aavaranerin?«
»Jaaa!« brüllte Julian. »Was dachtest du; eine etwas zu lang durchgebratene Norrländerin? Junge, benutzt du deinen Kopf hin und wieder auch mal zum Denken oder hast du ihn nur, damit es dir nicht in den Hals regnet?« Magramanir krächzte aufgebracht und schwang sich in die Luft. Mit offenem Mund sah ich ihr nach. Julian einmal so wütend zu erleben, war ein Ereignis.
»Du rred mit ucello?« Cesco war lautlos hinter mir erschienen und sah Magramanir ebenso gebannt nach wie ich. Heute sah er mehr denn je aus wie eine junge Frau: das lange Haar zu einem lockeren Knoten auf dem Kopf aufgesteckt, ein weichfallendes knöchellanges Hemd aus hellgrüner Seide am Leib, das fast bis zum Bauchnabel offenstand; darunter schauten zierliche weiche Lederpantöffelchen mit neckischen kleinen Bommeln an den Spitzen hervor. Ich wischte meine urplötzlich feuchten Handflächen an meiner Hose trocken und leckte mir über die spröden Lippen. Er legte seine Arme um mich und küßte mich auf die Nase. Dann legte er einen Finger auf die Schramme, die er mir beigebracht hatte und riß die Augen auf.
»Du ferîte – ah – geschmerzt? Wie passiert, Ellorran?« Ich sah ihn fassungslos an, aber der Blick seiner violetten Augen war unschuldsvoll und scheinbar ehrlich besorgt.
»Ich b-bin gegen eine Tür gelaufen«, sagte ich. Er leckte mit seiner kleinen, rauhen, rosafarbenen Zunge gründlich über die Schramme.
»Besser, Ellorran?« fragte er. Ich versicherte sehr ernsthaft, daß ich jetzt überhaupt nichts mehr von dem Kratzer spürte. Er verschränkte die Hände in meinem Nacken und sah mich lange und gründlich an.
»Gehen meine câmra«, sagte er entschieden. Ich blickte verständnislos. Er suchte nach Worten, stöhnte dann ungeduldig, stampfte mit dem Fuß auf und griff nach meiner Hand.
»Mitkomm, Ellorran!« befahl er und zog mich mit sich. Ich folgte ihm neugierig in einen Seitenflügel des neueren Gebäudes, wo er vor einer Tür stehenblieb, sie schwungvoll öffnete und hineinwies. »Câmra«, sagte er, als würde er mir eine Person vorstellen. Dann legte er mir die Hand ins Kreuz und schubste mich hinein.
Der Prinz von den Inseln hatte von der Krone ein großes, vornehm eingerichtetes Gemach zur Verfügung gestellt bekommen. Große Flügeltüren öffneten sich auf einen sonnenüberfluteten Innenhof und ließen helles Licht in den Raum fallen – auf dicke Teppiche in glühenden Farben, weiche, große Kissen, die im ganzen Raum verteilt lagen, mehrere niedrige, üppige Diwane und zierliche kleine Tischchen aus Holz und Metall. Überall standen Gefäße mit süß duftenden Blüten, und das Zwitschern von Vögeln erfüllte den Raum. Ich kam mir vor wie in einer anderen Welt, einem Märchenland aus Farben und Gerüchen, die mir fremd und wunderbar erschienen. Inmitten dieser exotischen Umgebung erschien Cesco nicht mehr ganz so wie ein verirrter Paradiesvogel. Hier drinnen
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