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Ellorans Traum

Ellorans Traum

Titel: Ellorans Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances G. Hill
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Kußhand zu. »Sie ruft mich, ich muß fort. Mach's gut, Elloran!«
    Karas lag noch immer auf dem Diwan und blätterte in einem Schriftstück. Neben ihm auf dem Tisch stand eine Schale mit Obst und ein Wasserkrug. Veelora achtete weit strenger als Mikel auf des Kammerherrn Gesundheit.
    »Ah, du kommst gerade recht«, rief er erfreut und wedelte mir mit dem Bündel Papier in seiner Hand zu. »Könntest du eben ein Diktat aufnehmen?«
    Ich zog meinen Stuhl heran und griff nach Feder und Papier. Die nächste Stunde war dem Entwurf eines höchst diplomatisch formulierten Antwortschreibens an den Than von Nisgard gewidmet, der vorsichtig das Terrain sondierte, was den drohenden Krieg zwischen seinem weit von ihm entfernten Verbündeten S'aavara und seinen Nachbarn unter der Herrschaft der Krone betraf.
    Ich bewunderte wieder einmal Karas' Fingerspitzengefühl. Der Than war beunruhigt, was ich verstehen konnte. Krieg zwischen S'aavara und der Krone hätte für ihn die unangenehme Folge, bedrängt von Norrbrigge und L'xhan im Westen und Olyss im Süden in einer sehr ungünstigen Stellung für seinen Verbündeten kämpfen zu müssen oder aber die Bündnistreue zu brechen und damit den Zorn der T'jana-Fürsten auf sich zu ziehen. Karas bot ihm nun das an, was er auch den Inseln vorgeschlagen hatte: Weitgehende Neutralität in einer möglichen Auseinandersetzung, bekräftigt durch den Austausch von Geiseln. Das alles so verklausuliert formuliert, daß der eigentliche Sinn des Geiselaustausches vordergründig ein ganz anderer zu sein schien. Zwischen den Zeilen wurde zwar klar, welchem Zweck er dienen sollte; aber wenn die T'jana selbst das Schreiben in die Finger bekommen hätten, hätten sie ihrem Verbündeten nichts vorwerfen können außer einem harmlosen ›kulturellen Austausch‹ zwischen benachbarten Staaten.
    Gegen Nachmittag beendete Karas völlig erschöpft unseren Arbeitstag. Ich blieb einen Augenblick unschlüssig neben ihm sitzen und fragte: »B-brauchst du noch irgend etwas? Soll ich dir noch G-Gesellschaft leisten, Großvater?«
    Er schüttelte den Kopf und kicherte schwach. »Das, was ich jetzt am dringendsten nötig hätte, darfst du mir nicht besorgen. Deine Großmutter würde mich umbringen.« Ich sah ihn mitfühlend an und strich über seine zitternde Hand. »Geh, Junge. Genieße deinen freien Nachmittag. Kommst du morgen wieder her?«
    Er gab mir einen Klaps und scheuchte mich hinaus. Ich stürmte wie von einer Sehne abgeschnellt in den Innenhof. Zu meiner grenzenlosen Enttäuschung war der Platz unter der Birke leer. Was hatte ich eigentlich erwartet? Daß der Prinz den ganzen Tag untätig dort auf mich wartete?
    Niedergeschlagen hockte ich mich auf das Mäuerchen neben der Birke, zog meine Knie an die Brust und kaute auf meinem Daumennagel.
    »Hallo, Elloran«, krächzte Magramanir vom Ast einer schlanken Buche herunter.
    »Hallo, Mag, J-Julian«, antwortete ich finster.
    Sie landete auf meinem Knie und sah mich mit schräggestelltem Kopf an. »Hast du schlechte Laune?« Ich brummte. »Ich wollte dir nur von deinem Freund Nikal berichten, aber wenn du schlechte Laune hast, komme ich ein andermal ...«
    »Halt«, schrie ich. »H-hiergeblieben, Mag. Julian, w-was ist mit Nik?«
    »Weg ist er«, sagte Julian. »Einfach ausgebüxt. Ich war ein paar Tage nicht in der Stadt, und als ich wiederkam, war er fort. Das ist eine reife Leistung, mußt du wissen. So leicht findet ein Mensch gewöhnlich nicht aus der Stadt hinaus.«
    »O Julian!« sagte ich angespannt. »Wie konnte das p-passieren? Er irrt jetzt v-vielleicht irgendwo da draußen herum ...« Horrorvisionen erschienen vor meinen Augen. Nikal verirrt, verletzt, verloren, verstört, verstümmelt, ver ...
    »Mach doch nicht so ein Drama daraus, Elloran!« sagte Julian scharf. »Wir finden ihn schon wieder.«
    »W-wir?« fragte ich irritiert. Magramanir blinzelte mich verschwörerisch an.
    »Ja, sicher. Du und ich. Wir finden ihn bestimmt!«
    »O G-Göttin!«
    »Was hast du?«
    »Julian, ich – ich k-kann hier nicht weg. Nicht jetzt!«
    »Warum nicht?« Magramanir schloß ein Auge und öffnete ungeduldig den Schnabel.
    »Es g-geht eben nicht!« beharrte ich stur. »Kannst du nicht alleine n-nach ihm ...«
    »Nein«, gab Julian ebenso stur zurück. »Kann ich nicht. Was bin ich, Nikals Kindermädchen?« Er klang richtig beleidigt.
    »Ach v-verdammt!« Jetzt wurde ich wütend. »D-du bist doch wirklich ein – Warum h-hast du mir eigentlich nie gesagt,

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