Ellorans Traum
eine Weile aus und begannen von vorne. Trunken von dem zu reichlich genossenen Wein und einer beinahe tödlichen Überdosis Cesco schlich ich mich im Morgengrauen zurück in meine Kammer, um vor meinem Arbeitsbeginn noch eine oder zwei Stunden Ruhe zu bekommen.
Karas bemerkte mit hochgezogenen Brauen meine angeschlagene Verfassung. Die bösesten Schrammen verdeckte glücklicherweise mein Wams; aber nicht so leicht verbergen ließ sich leider, daß ich betrunken zur Arbeit erschienen war. Der kurze Schlaf hatte mich nicht hinreichend ernüchtern können, und Karas hatte für solche Einzelheiten aus eigener Erfahrung einen scharfen Blick. Er machte keine Bemerkung darüber, runzelte nur befremdet die Stirn. Ich bemühte mich um eine möglichst deutliche Aussprache und tat so, als wäre alles in bester Ordnung. Die Stunden bis zum Mittag dehnten sich unendlich und quälend. Schließlich klappte Karas den Aktenordner zu, aus dem er mir diktiert hatte und rieb sich die Augen. »Schluß für heute«, sagte er müde. »Ich bin noch nicht wieder auf dem Damm.« Er blickte mich scharf an. »Du legst dich besser auch ins Bett und schläfst deinen Rausch aus, Kind«, sagte er erstaunlich mild. »Ich möchte das nicht noch einmal erleben. Oder willst du, daß deine Großmutter mir Vorwürfe macht, ich hätte dich zum Trinken verführt?« Ich wurde rot.
»D-danke«, sagte ich zerknirscht. »Es s-soll nicht wieder vorkommen, domu .« Er gab mir einen zärtlichen Klaps auf die Wange und murmelte: »Sei klug, Kind. Nimm dir kein Beispiel an mir!«
Trotz meiner allerbesten Vorsätze mußte ich meinen Großvater dennoch bitter enttäuschen. Ich steckte bald jede freie Minute mit meinem goldenen Prinzen zusammen. Zum Ende des Frühlings waren Veelora und ein Teil ihrer Garde – darunter auch Jenka – abgereist, um in Kerel Nor nach dem Rechten zu sehen.
»Es ist nicht wirklich nötig«, sagte meine Großmutter verlegen bei unserem letzten gemeinsamen Frühstück zu Karas. »Aber ich war jetzt über ein Jahr nicht mehr zu Hause, und ich habe ein wenig Heimweh. Ach, Liebster, wenn du doch mit mir kommen könntest!« Karas hatte nur gelächelt und zärtlich ihre Finger geküßt, ohne darauf zu antworten.
»Komm nur heil wieder«, bat er etwas später. »Und laß uns nicht gar so lange allein.« Sie hatten sich unter Tränen verabschiedet, und ich sah Veelora und Jenka davonreiten. Diesmal fiel mir der Abschied nicht mehr so schwer: Ich wußte, sie würden wiederkommen – und ich hatte ja Cesco.
Der hatte inzwischen eine Gefolgschaft von jungen Adligen der Krone um sich geschart, die ihn fast genauso anbeteten, wie ich das tat. Es war eine ausgelassene, wilde Bande, sorglos und leichtsinnig. Ich genoß es, mit Cesco und den anderen jungen Männern durch die engen Gassen der Kronstadt zu galoppieren und ihre Bewohner damit in Angst und Schrecken zu versetzen. Cesco war unser ungekrönter König. Die Streiche, die er ausheckte, verschlugen mir manches Mal den Atem wegen ihrer Tollkühnheit und oft auch gedankenlosen Grausamkeit. Aber ich war ihm bedingungslos verfallen und tat ohne zu Zögern alles, was er von mir verlangte. Als sein Liebhaber genoß ich in der Schar der Jünglinge eine besondere Stellung, auch wenn ich jünger war als die meisten anderen.
Ich vernachlässigte alles andere um seinetwillen. Ich fand keine Zeit mehr zum Üben: Jenka war ohnehin fort, und außerdem mochte Cesco mich lieber fülliger, weniger ›Knoch und Stein‹. Nur noch selten besuchte ich Leonie, da ich ihre Mißbilligung wegen meiner Obsession fürchtete; und mein Großvater – nun, ich sah ihn ohnehin täglich bei meinem Dienst, und wenn ich auch oft nur halbherzig bei der Sache war, so bemühte ich mich doch, es ihm recht zu machen. Es gelang mir nur immer schlechter, und immer häufiger erschien ich mit Verspätung und alles andere als nüchtern zur Arbeit. Cesco hatte eine Vorliebe für schwere Weine, und er liebte es ganz besonders, sie mit exotischen Drogen zu mischen. Es gab Tage, an denen ich keine Sekunde lang einen klaren Kopf bekam, sondern nur im Nebel durch den Tag schwamm, bis endlich der Abend sich neigte und ich ganz in Cescos Armen und unserer Traumwelt versinken konnte.
An einem Vormittag im frühen Kornsommer versäumte ich sogar zum ersten Mal ganz und gar, zur Arbeit zu erscheinen. Cesco war auf verbotenen Wegen an einige seltene S'aavaranische Drogen herangekommen, die er unbedingt mit mir hatte ausprobieren müssen. Ich
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