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Ellorans Traum

Ellorans Traum

Titel: Ellorans Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances G. Hill
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erwachte dadurch, daß ich jemanden auf meiner Bettkante sitzen spürte. Wie fast immer in den letzten Wochen war ich erst im Morgengrauen zurück in mein eigenes Bett getaumelt und hatte es gerade noch geschafft, mir die Kleider vom Leib zu reißen und meinen Kopf zum Schutz gegen das einfallende Sonnenlicht unter mein Kissen zu stecken, ehe ich in einen bleiernen Schlummer fiel.
    »Junge, mein liebster Junge«, hörte ich jemanden jammern. »Was geschieht nur mit dir?«
    »Hng?« schnaufte ich, noch immer benommen von diesem grauenhaften Kraut, das wir geraucht hatten. Ich schob das Kissen von meinem Gesicht herunter und sah in die zutiefst besorgte Miene meines Großvaters. Er starrte mit erschrecktem Abscheu auf meinen bloßen Körper und all die Kratzer und Bisse, Striemen, Narben und blauen Flecke, die mich vom Kopf bis zu den Füßen übersäten. Voller Panik zog ich das heruntergerutschte Laken hoch und stammelte: »Großvater. W-was tust du h-hier?«
    Er sah in meine Augen und entdeckte dort anscheinend irgend etwas, das ihm außerordentlich mißfiel. »Es ist fast Mittag«, sagte er hart. »Du bist nicht zur Arbeit erschienen, und ich habe mir Sorgen um dich gemacht. Aber anscheinend war das völlig unnötig. Ich erwarte dich in einer halben Stunde in meinem Arbeitszimmer. So nüchtern, wie du bis dahin werden kannst!« Er stemmte sich auf die Füße und hinkte zur Tür. Dort blieb er eine Sekunde lang stehen, als wolle er noch etwas sagen, aber er schüttelte nur den Kopf und ging ohne ein weiteres Wort hinaus.
    »Oh, ver-verdammt!« fluchte ich und schwang die Beine aus dem Bett. Mein Kopf drohte zu zerspringen. Ich steckte ihn erstmal in die Waschschüssel. Tropfend und fluchend stieg ich in meine Kleider und suchte nach der Kordel für meine Haare. Ich fand sie nicht; nicht unter dem Bett, nicht zwischen den Laken im Bett, nicht zwischen meinen Kleidern vom Vortag. »Mist, Mist, Mist!« brüllte ich unbeherrscht und hielt mir den Kopf.
    »Junge, bist du aber in Fahrt«, bemerkte meine Schwester spöttisch. Sie hatte sich schon seit dem Jungsommer nicht mehr bei mir blicken lassen. Ich machte einen erschreckten Satz, als ich so unvermutet ihre Stimme hinter mir hörte. Sie saß im Schneidersitz auf meinem Bett und blickte mich kritisch an.
    »Du solltest dich sehen«, bemerkte sie. »Du siehst aus wie etwas, was die Katze unterm Bett gefunden hat.« Sie kniff die Augen zusammen und pfiff ein paar falsche Töne. »Leonie würde gerne mal wieder mit dir sprechen«, sagte sie zusammenhanglos.
    Ich kroch auf Händen und Füßen über den Boden und suchte nach der Kordel. »Leonie wird warten müssen«, fauchte ich. »Erst einmal reißt mir Großvater den Kopf ab. Und wenn ich diese verfluchte Kordel nicht wiederfinde, habe ich wahrscheinlich noch den gesamten Kronrat am Hals, wegen Veruntreuung oder so!«
    »Die höchst zeremonielle Seidenkordel?« fragte sie unschuldsvoll und betrachtete ihre Fingernägel. Ich stutzte.
    »Was weißt du darüber?« fragte ich mißtrauisch.
    »Nur, daß du sie letzte Nacht deinem Liebsten geschenkt hast, weil er so nett darum gebeten hat.« Sie riß die Augen auf. »Aber du bekommst bestimmt mildernde Umstände, du warst nämlich mal wieder voll wie ein Lampenfisch – autsch!« Ich hatte ihr das Kissen an den Kopf geworfen, und sie hatte sich nicht schnell genug geduckt.
    »So ein verdammter – was mache ich jetzt?«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Binde dir die Haare mit was anderem zusammen«, schlug sie einfach vor. »Du willst doch Großvater nicht wegen einer dussligen Kordel warten lassen.«
    »Ach, du kannst mich ...«, schrie ich und stürmte mit offenen Haaren aus dem Zimmer. Hinter mir verklang ihr spöttisches Lachen.
    »Herein«, rief Karas, als ich an seine Tür klopfte. Er hob nicht den Blick von seiner Lektüre, wies nur stumm auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch. Ich ließ mich unbehaglich darauf nieder und verschränkte die Hände. Er ließ die Blätter sinken und sah mich lange schweigend an.
    »Ich habe eine Menge Beschwerden über dich und deine – Freunde zu hören bekommen«, sagte er schließlich spröde. »Ihr tyrannisiert die Stadt, heißt es.« Er schwieg, wartete. Ich rutschte auf meinem Stuhl herum. »Willst du dich nicht dazu äußern?« fragte er nicht unfreundlich. Ich kniff die Lippen zusammen. Er seufzte und blickte auf die Papiere in seiner Hand.
    »Karol, ein Obsthändler am Äußeren Wall, hat sich mehrfach darüber beschwert, daß

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