Ellorans Traum
ihr euch einen Spaß daraus macht, seine Auslagen zu zertrampeln. Er erwähnt Ballspiele mit seinen Melonen.« Er blickte mich an, ich schwieg.
»Viele der Händler auf dem Großen Markt erheben ähnliche Klagen. Ihr bezahlt nicht für das, was ihr euch nehmt und laßt rücksichtslos alles um euch herum bei euren Raubzügen und Verfolgungsjagden zu Bruch gehen. Und so weiter und so weiter.« Er ließ die Papiere wieder sinken und rieb sich mit dem Daumen über die Augen. Dann fuhr er fort, mit derselben nüchternen Stimme: »Man beklagt sich bei mir, daß ihr bei all dem eine äußerst freche und unverschämte Sprache führt und schon wiederholte Male böse Prügeleien angezettelt habt. Und als Köpfe und Anführer dieses ganzen widerwärtigen Treibens werden immer wieder die beiden hochmütigen jungen Herren mit den langen Haaren genannt!« Er warf die Papiere mit einer heftigen Bewegung auf den Tisch und stützte den Kopf in die Hände.
»Junge, wie soll das nur weitergehen?« fragte er dumpf. »Du trittst alles mit Füßen, was mir heilig ist. Ich begreife dich nicht. Du – du – nicht genug, daß du jeden Morgen betrunken zum Dienst erscheinst – wenn du denn überhaupt erscheinst! – du nimmst irgendwelche Drogen ein, die dir den Kopf benebeln, und du siehst aus, als hätte ein Messerwerfer dich als Zielscheibe benutzt ... Was, bei allen Göttern ist nur los mit dir?« Ich schwieg. Er hätte es ohnehin nicht verstanden.
Karas faltete die Hände vor dem Bauch und hauchte gedankenverloren auf den königlichen Siegelring. »Ich verbiete dir den Umgang mit dem Prinzen und seiner rüpelhaften Anhängerschaft«, erklärte er ruhig. »Ich stelle ihn und dich unter Stubenarrest, und sobald es ohne diplomatischen Zwischenfall möglich ist, schicke ich ihn zu seinem Vater zurück. Du wirst bis auf weiteres unter Bewachung auf deinem Zimmer bleiben. Wenn ich dich benötige, und meinetwegen einmal am Tag zu Kampfübungen, darfst du hinaus. Keine Besuche. Deine Mahlzeiten werden dir aufs Zimmer gebracht. Alles weitere wird sich ergeben.« Seine Stimme klang ehern und gebieterisch. Mir lief eine Gänsehaut über den Rücken. So hoheitsvoll hatte ich den rundlichen kleinen Kammerherrn noch nie erlebt. Er sah mich an, eisig, fern wie die Sterne. »Geh mir jetzt aus den Augen«, sagte er kalt.
Ich stand heftig auf, der Stuhl polterte hinter mir zu Boden. »D-du kannst mich nicht v-von ihm trennen!« schrie ich.
Er stand auf, mühsam beherrscht. »Und ob ich das kann, mein Freund. Du würdest dich wundern, was ich alles kann! Raus jetzt mit dir!« Ich stürmte hinaus, blind vor Tränen – und schmetterte die Tür hinter mir zu.
»Er sperrt mich ein!« tobte ich in meinem Zimmer. »Er stellt mir eine Wache vor die Tür, er läßt mich nicht mehr zu Cesco – er sperrt mich einfach hier ein!«
»Ach was«, sagte sie gleichgültig. »Hast du genug zu lesen?« Ich starrte sie sprachlos an. Sie rutschte von meinem Bett herunter und legte mir einen Finger auf die Nase. »Unser Onkel hat recht. Du benutzt deinen Kopf nicht. Sei einmal in deinem Leben vernünftig und tu, was Karas sagt. Übrigens, Leonie läßt dich grüßen. Sie will sehen, ob sie was für dich tun kann.«
Sie lächelte und öffnete die Tür. Ich konnte den Rücken des Soldaten sehen, der draußen stand. Er rührte sich nicht einmal, als sie ganz dicht an ihm vorbeiging. Ich seufzte. Er drehte sich um und sah mich mißtrauisch an. »Ja, junger Herr?«
»Ich h-habe Hunger«, sagte ich. »Und würdest du meinen – domu K-Karas fragen, ob ich mir etwas zu l-lesen aus der Bibliothek kommen lassen darf?«
Er nickte steif und sagte: »Ich habe die Anweisung, deine Tür abzuschließen, wenn ich fortgehe, junger Herr. Ich will es dir nur sagen, damit du nicht erschrickst.« Ich biß die Zähne zusammen und neigte bestätigend den Kopf. Gedemütigt schloß ich die Tür und hörte, wie sich der Schlüssel im Schloß umdrehte.
In den nächsten Wochen lernte ich, was Langeweile heißt. Auch im Arbeitshaus war ich eingesperrt gewesen, aber es hatte immer genügend zu tun gegeben, so daß ich nicht gezwungen gewesen war, völlig untätig herumzusitzen. Karas hatte mir zwar gesagt, er würde mich holen lassen, wenn er mich benötigte, aber das war nicht geschehen. Wahrscheinlich hielt er es für erzieherisch wertvoller, mich im eigenen Saft schmoren zu lassen. Sein großherziges Angebot, zu den Übungen gehen zu dürfen, schlug ich trotzdem aus. Er wollte mich
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