Ellorans Traum
wirklich um dich gekämpft, das ist mir nun klar. Aber du warst so plötzlich fort, und ich war noch nicht wieder ...«
»Ach, lassen wir die alten Geschichten«, unterbrach ich ihn. Er schluckte und sah mich überrascht an. »Was hast du seitdem getrieben?«
Er rümpfte leicht gekränkt die Nase und sagte unbestimmt: »Ach, wir waren hier und da unterwegs. Galen hat uns ziemlich auf Trab gehalten.«
»Ihr wolltet doch eigentlich abreisen, warst du nicht deshalb damals so schlecht gelaunt?«
»Ja, aber Quinn konnte sich nicht gegen Galen durchsetzen. Die alten Rangeleien, aber in diesem Fall hat Omelli Galen rechtgegeben. Solange die Auseinandersetzung mit S'aavara sich nicht weiter steigert ...« Er unterbrach sich und sah mich fast wütend an. »Sag mal, ich bin doch nicht hier, um mit dir über Politik zu sprechen!« Er erhob sich von seinem Stuhl und setzte sich dicht neben mich auf den Diwan, nahm meine Hand und sah mich forschend an. Ich erstarrte peinlich berührt zu Eis. Seine Augen verschleierten sich.
»Ach so«, sagte er leise. »So ist das. Ich bin doch ein alter Trottel!« Er lachte und ließ meine Hand los. Im Aufstehen sagte er munter: »War nett, dich mal wiedergesehen zu haben, Kleiner. Halt die Ohren steif.«
»Tom«, rief ich verlegen. »Tom, bitte. Sei mir n-nicht böse!« Er drehte sich um, ehrliches Erstaunen im Gesicht.
»Warum sollte ich dir böse sein, Kleiner? Mach's gut.« Er nickte noch einmal und ging hinaus. Seltsam, ich hatte Tränen in den Augen. Ich hob das heruntergefallene Buch vom Boden auf und wog es einen Augenblick lang in der Hand. Dann schmetterte ich es mit einem wütenden Aufschrei gegen die Wand und warf mich auf mein Bett. Cesco! Warum tat es nur immer noch so weh?
16
D ie Achtwoche des Kornsommers schlich vorüber, und ich schickte mich ergeben in meine Einzelhaft. Es hätte mir Erleichterung gebracht, wenn ich mich wenigstens hin und wieder hätte ein wenig betrinken können, aber Karas hatte strikte Anweisungen gegeben, was das betraf. Ich bekam zu den Mahlzeiten einen kleinen Becher Wein serviert, aber keinen Schluck darüber hinaus. Also fuhr ich mangels anderer Betätigung hartnäckig damit fort, mich für einen Geliebten zu mästen, den ich wahrscheinlich nie wieder zu Gesicht bekommen würde. Karas hatte seine fruchtlosen Besuche bei mir eingestellt. Wie meine Schwester mir berichtete, hatte Leonie ihn mehrmals vergebens gebeten, mich besuchen zu dürfen. Karas mußte sie kalt und böse abgewiesen haben: Solange sein Enkel nicht geruhe, mit ihm zu sprechen, sähe er keine Notwendigkeit, andere Besucher zu ihm zu vorzulassen.
Ich zuckte zaghaft mit den Achseln und nahm ein Stück Kuchen vom Tisch. Meine Schwester sah mir neugierig zu, wie ich kaute und schluckte und nach dem nächsten Stück griff und fragte: »Sag, ist das alles, was dir einfällt? Schlafen und dich vollstopfen? Du gleichst allmählich ganz erstaunlich einem gemästeten Schwein, lieber Bruder.«
Und wenn schon. Wen kümmerte das? Ich steckte gleichgültig ein weiteres Kuchenstück in den Mund. »Du hast übrigens eine neue Wache vor der Tür«, bemerkte sie fröhlich. »Was Nettes, Junges. Unterhalte dich doch mal mit ihr.«
Ich stöhnte und sagte unwirsch: »Laß mich endlich mit deinem Geschwätz in Ruhe. Merkst du eigentlich nicht, wie sehr du mir auf die Nerven gehst?«
Sie kicherte und klatschte mir mit der Hand auf den Bauch. »Bin schon weg«, rief sie munter. »War wie immer nett, sich mit dir zu unterhalten, alter Sauertopf!« Sie stob durch die Tür und streifte dabei die Frau, die davor stand, am Ärmel. Die zuckte zusammen und drehte sich verstört um.
»Jenka!« rief ich heillos überrascht. »Du b-bist zurück?« Sie blickte mich ungläubig an, die Augen in ihrem dunklen Gesicht wurden tellergroß.
»Du meine Güte, Elloran! Wie siehst du denn aus? Du platzt ja aus allen Nähten!« japste sie entsetzt.
Ich wurde blutrot. »D-das ist ja wohl ganz und g-gar meine Sache!« erwiderte ich patzig. Sie schlug beschämt die Augen nieder.
»Du hast recht, tut mir leid.« Sie schloß die Tür hinter sich und sagte verlegen: »Dumme Sache mit dem Stubenarrest, Elloran. Der Kammerherr hat sogar deine Großmutter deswegen zurückgerufen. Wir sind seit gestern wieder hier.« Ich verdrehte die Augen und jammerte leise. Jetzt stand mir auch noch mit Sicherheit ein Gespräch mit Veelora bevor! Jenka sah mich mitfühlend an.
»Kann ich irgendwas für dich tun, Ell?« fragte sie
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