Ellorans Traum
Augenblick lang stehenblieb und sich dann langsam wieder ausfüllte.
»Und die Blutergüsse«, sagte sie, »dafür war nicht mehr nötig als das.« Sie zog mein Hemd ein Stück hoch, murmelte: »Entschuldigung, Elloran«, und kniff fest in das weiche Fleisch an meinem Bauch. Vor unseren Augen bildete sich ein häßlicher, violetter Bluterguß. Akim war blaß geworden.
»Ich Idiot«, flüsterte er und fragte mich: »Hast du hin und wieder auch Blutergüsse gefunden, ohne zu wissen, woher sie stammen?« Ich nickte. Erst gestern früh hatte ich an meinem Oberschenkel einen großen blauen Fleck entdeckt, der über Nacht aus dem Nichts entstanden sein mußte. Akim und Jemaina sahen sich an.
»Du weißt, was das bedeutet«, sagte Jemaina, und Akim nickte.
»Wie sah das Zeug aus, das du genommen hast?« fragte sie mich. Ich erinnerte mich nicht. »Kleine gelbe Kristalle?« bohrte sie weiter. Ein Tütchen erschien vor meinen Augen. Cesco sagte ›Traumstaube‹. Ich ächzte und nickte heftig.
»Hat dein Liebhaber es auch genommen?« fragte sie weiter. Ihre Stimme klang angespannt, obwohl ihr Gesicht gelassen wie immer war.
»Nein, ich g-glaube nicht. Er muß es in die zweite Kanne Wein gemischt haben, und d-die hat er mir g-ganz allein eingeflößt. Ich w-wäre fast daran erstickt.« Die Erinnerung war schmerzhaft deutlich. Sie nahm beruhigend meine Hand.
»Es ist, wie ich vermutet habe«, sagte sie leise zu Akim. »Er hat zweimal versucht, ihn mit Traumstaub zu vergiften. Eigentlich ist es ein Wunder, daß er das überlebt hat. Aber das ist noch nicht alles ...«
Ich blickte sie starr vor Entsetzen an. Wen meinte sie mit ›Er‹?
Akim schüttelte den Kopf. »Wie kannst du sicher sein, daß es dasselbe Zeug war, das du meinst? Er erinnert sich doch gar nicht richtig daran.«
Sie steckte die Pfeife zurück in ihren Mund und sog nachdenklich daran. Ihre Hand lag noch immer auf meiner. »Ich kenne seine Auswirkungen zu gut, Lieber. Ein alter Freund von mir hat sich damit vergiftet, und ich habe ihn in seinen letzten ... ich habe ihn gepflegt. Ellorans Alpträume; daß er nicht mehr wagt zu schlafen; die Erinnerungslücken, wenn er seine ›Anfälle‹ bekommt, wie Tom das nennt.« Sie warf dem unglücklich aussehenden Kater ein warmes Lächeln zu. »Dann seine Augen, die vergröberte, aufgeschwemmte Haut, die Blutergüsse, die geschwollenen inneren Organe, seine Fingernägel – Akim, glaube mir, das Gift wirkt noch immer.« Sie sah mich mitleidig an.
Ich starrte in ihre dunklen Augen und krächzte: »M-muß ich sterben, Jemaina?«
Sie schüttelte den Kopf und antwortete streng: »Daß du dein Leben mit all den Drogen, die du in diesen Neunwochen geschluckt hast, nicht gerade verlängert hast, dürfte dich nicht verwundern. Aber sterben – nein, mein Liebes, daran denkst du besser noch eine ganze Weile nicht.« Sie grub in einer ihrer abgrundtiefen Rocktaschen und nahm ein in Leder gewickeltes Päckchen heraus. Daraus schüttelte sie einige dünne, aus getrockneten Blättern gerollte Stäbchen in ihre Hand und hielt sie mir hin. »Du weißt, was das ist?« Ich zog eine unschuldige Miene. Sie lachte und sagte: »Das habt ihr mit Sicherheit oft genug geraucht, Elloran. Glückskraut. Ich verordne es dir als Medizin, du darfst es rauchen, wenn du nicht einschlafen kannst, oder wenn du Schmerzen hast. Es ist einigermaßen harmlos, jedenfalls harmloser als alles, was du sonst so geschluckt hast. Außerdem wird Akim dir einen Ernährungsplan zusammenstellen. Du solltest kein Fleisch mehr essen, das vergiftet dich noch zusätzlich. Dein Körper hat genügend damit zu tun, mit dem Traumstaub fertigzuwerden. Wenn es dir hilft, kannst du hin und wieder einen Becher Wein trinken – aber nicht mehr! So, und jetzt rauch ein Stäbchen und schlaf, Elloran. Ich bleibe noch ein wenig hier, wir sehen uns also noch.« Sie beugte sich über mich und gab mir einen Kuß. Ich lächelte sie dankbar an und steckte ein Röllchen Glückskraut zwischen die Lippen.
Sie flüsterte: »Anzünden kannst du es dir sicher selber, hm?« Ich riß die Augen auf und staunte. Woher wußte sie das jetzt wieder? Sie blinzelte mir zu und winkte den Männern, mich allein zu lassen. Sie hockten sich wieder auf die Treppe, und während ich den kühlen, grünen Rauch einatmete und langsam fortdämmerte, hörte ich sie leise sprechen.
»Ein Gift aus den tiefsten Tiefen der Hölle«, sagte Jemaina. »In ganz winzigen Mengen genommen, regt es stark die Sinne
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