Ellorans Traum
»Und du? Was glotzt du so?«
»Ich suche eine F-Frau namens Katarin. W-weißt du zufällig, wo ich sie finde?«
Sie musterte mich vom Kopf bis zu den Füßen und fragte zurück: »Und wer, bitte, will das wissen?« Ihr hübsches, rundes Gesicht blickte mißtrauisch.
»M-mein Name ist Elloran. Ich komme aus Corynn. Ein Freund h-hat mir geraten, nach Katarin zu fragen, wenn ich hier ank-komme.«
Ihre braunen Augen wurden etwas freundlicher. »Ich bin Katarin. Du suchst Arbeit?« Ich nickte ergeben. Mein Geld würde nicht mehr lange reichen. Wenn diese Frau Arbeit für mich hatte, um so besser. Sie nickte und musterte mich wieder. »Du bist T'svera, richtig?« Sie wartete meine Antwort nicht ab, sondern griff nach meinem Arm und zog mich in die nächste Schenke. »Komm, wir trinken einen Schluck. Hast du schon ein Quartier?« Wir setzten uns an einen blankgescheuerten Tisch, und sie bestellte zwei Becher Wein. Ich fragte nach einem Gericht ohne Fleisch und bekam von der Wirtin einen amüsierten Blick und etwas Brot mit Käse serviert.
»Ich b-bin vor zwei Stunden erst hier angekommen«, sagte ich. »Ich habe noch k-keinen Schlafplatz.«
Katarin trank einen ordentlichen Schluck von dem ordinären Rotwein und leckte sich über die Lippen. »Wenn du willst, kannst du bei mir bleiben«, sagte sie. »Ich habe ein freies Zimmer, das ich dir vermieten kann.« Sie sah mich prüfend an. »Du bist sicher noch nicht lange dabei«, sagte sie. »Wie alt bist du? Fünfzehn?«
»Sechzehn«, antwortete ich und fragte mich, was sie mit ›dabeisein‹ meinte. »Ich w-werde in zwei Wochen s-siebzehn.«
»Gut. Wir haben hier nicht viele von deiner Sorte. T'svera sind sehr gefragt. Daron und Tomas wird ein bißchen Konkurrenz ganz gut tun, sie werden langsam zu frech. Weißt du, wie die Tarife sind?« Ich schüttelte den Kopf. Ich wäre schon dankbar gewesen, wenn ich nur gewußt hätte, worüber sie überhaupt sprach!
»Ein Krontaler pro Stunde und ein halber Goldych für eine ganze Wache. Das mag dir ein wenig überzogen erscheinen, aber die Kunden hier sind daran gewöhnt. Haven ist eben ein teures Pflaster.« Sie grinste. Mir schwante etwas.
»Ich suche j-jemanden«, sagte ich hastig. »Einen Freund, s-sein Name ist Nikal.« Sie hob gleichgültig die Schultern und trank ihren Becher aus. »Groß, g-größer als ich. Anfang fünfzig, grauhaarig. Kräftig, b-breite Schultern. Bauch.« Sie schüttelte den Kopf. »Er h-hat eine auffällige Narbe unter einem Auge. Drei parallele Schnitte, etwa so l-lang«, ich deutete mit den Fingern unter mein linkes Auge. Sie dachte nach.
»Vielleicht kann dir Daron helfen. Er hat einen Kunden mit einer ähnlichen Narbe, wenn ich mich nicht irre. Komm, trink aus, ich möchte gehen.« Sie legte das warme Tuch wieder um ihre molligen Schultern und rief der Wirtin einen Gruß zu.
Ich trabte hinter ihr her durch die Gasse. Wir kamen an einem flachsblonden, schmalhüftigen Jüngling vorbei, der verfroren an der Ecke stand. Katarin winkte ihm zu und rief: »Wie läuft das Geschäft, Daron?«
Er grinste gequält. »Grauenhaft, Kat. Ich mach gleich Feierabend, hab keine Lust, mir eine Lungenentzündung zu holen.«
»Hier ist ein Neuer; Elloran. Elloran, das ist Daron. Er ist auch T'svera.«
Der junge Mann trat heran und drückte meine Hand. Seine veilchenblauen Augen in dem unschuldigen Gesicht musterten mich eingehend. Dann grinste er und klopfte mir auf die Schulter. »Freut mich, dich kennenzulernen, Elloran. Kat versucht schon seit einigen Neunwochen, Tomas und mir Konkurrenz auf den Hals zu laden – sie hätte es schlechter treffen können.« Er blinzelte. »Keine Angst. Das Geschäft läuft meist ganz gut. Es gibt hier genügend Kundschaft für drei von unserer Sorte. Willkommen im Blauen Viertel.« Ich bedankte mich, und wir gingen weiter, den frierenden Daron hinter uns lassend. Als ich mich noch einmal zu ihm umdrehte, sah ich, wie er mit einem älteren, bürgerlich gekleideten Mann in den Hauseingang trat. Ich prustete unterdrückt. Da hatte Julian mir ja was Feines eingebrockt! Mir war völlig klar, daß er das mit Absicht getan hatte. Sein mehr als eigenartiger Sinn für Humor war mir jetzt schon lange genug bekannt, und trotzdem rannte ich immer wieder in die Fallen hinein, die er mir stellte.
»Da sind wir«, sagte Kat und öffnete eine Tür. Sie bewohnte ein winziges Häuschen, gerade mal drei kleine Zimmer und ein handtuchgroßer Hinterhof. Ich sah mich um und merkte mit einem
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