Ellorans Traum
Mal, wie müde ich war. Katarin zeigte mir mein Zimmer, und ich ließ mein Bündel auf den einzigen Stuhl fallen. Sie lehnte im Türrahmen und sah zu, wie ich meinen Umhang und meine Stiefel auszog.
»Magst du morgen mit mir zusammen frühstücken?« fragte sie. »Dabei kann ich dir noch ein bißchen was erklären. Oder willst du lieber in eine Garküche gehen?«
Ich schüttelte den Kopf und erklärte, daß mir ein gemeinsames Frühstück sehr recht sei. Ich hatte immer noch die Hoffnung, sie könnte mir helfen, Nikal ausfindig zu machen. Auf jeden Fall konnte ich jede Kleinigkeit brauchen, die sie mir mitteilen konnte. Sie wünschte mir eine gute Nacht und ging hinaus. Ich legte mich auf das schmale Bett und fühlte, wie ich heftig zu zittern begann. Ich setzte mich wieder auf und kramte eilig ein Stäbchen Glückskraut aus meinem Bündel. An die Wand gelehnt, inhalierte ich mit geschlossenen Augen den kühlen Rauch. Ich mußte meinen Vorrat unbedingt in den nächsten Tagen ergänzen; noch ein Grund, dringend Geld zu verdienen. Wahrscheinlich blieb mir wirklich nicht viel anderes übrig, als für Katarin zu arbeiten. Ich entzündete das zweite Blatt, rauchte es gemächlich zu Ende und rollte mich auf dem Bett zusammen. Der Schlaf kam endlich auf leisen Füßen und küßte mich sanft auf die schweren Augenlider.
»Aufstehen, das Frühstück ist fertig«, weckte mich Katarins fröhliche Stimme. Ich schaufelte mir eine Handvoll Wasser ins Gesicht und trat in das Nebenzimmer mit dem gemütlich vor sich hinbullernden Herd. Katarin, in einen bequemen Morgenrock gehüllt, stellte gerade eine Kanne auf den Tisch und rückte sich dann den Stuhl zurecht.
»Guten Morgen«, wünschte ich und ließ mich auf den anderen Stuhl sinken. Sie lächelte und schenkte Tee ein. Ihre gelockten Haare hingen genauso ungekämmt vor ihrem Gesicht wie meine eigenen. Ich zuckte immer noch zusammen, wenn eine dieser pechschwarzen Strähnen in meinem Blickfeld auftauchte. Es würde sicher noch einige Zeit brauchen, bis ich mich daran gewöhnt hatte.
Sie legte die Hände um ihren Becher und ließ den Dampf in ihr Gesicht steigen. »AI«, sagte sie wohlig und dehnte die Schultern in dem warmen Schlafrock. Ich nahm mir ein Stück Käse und etwas Brot und blickte begehrlich auf den geräucherten Speck, der vor mir auf dem Tisch lag.
»Nimm dir ruhig«, sagte sie, als sie meinen Blick sah. Ich schüttelte den Kopf und lehnte seufzend ab. Sie schnitt sich ein ordentliches Stück davon herunter und sah mich kauend an.
»Wir gehen gleich los, und ich zeige dir deinen Platz.« Sie griff nach der Teekanne. »Dann werfen wir Daron aus dem Bett und machen einen Ausflug ins Badehaus. Ich will dir ohnehin das Viertel zeigen, da ist das Badehaus bei dem ekligen Wetter ein guter Anfang. Dort kannst du im übrigen auch ganz gut Kundschaft finden.«
Sie schenkte mir nach, ich dankte ihr und fragte: »Du meintest g-gestern, Daron könnte Nikal kennen? D-den Mann, den ich suche?«
»Gut möglich. Daron kennt jeden. Was für Vorlieben hat dieser Nikal? Mag er nur T'svera oder steht er auch noch auf was anderes?« Ich errötete, und sie sah mich fragend an. »Was ist? Ist er kein Kunde von dir? Ein Freund?«
»Ein Freund«, wiederholte ich erstickt. »Ein guter, alter F-Freund. Nichts weiter.« Sie grinste ungläubig und nahm noch ein Stück von dem Speck. »Katarin, w-wo kann ich hier Glück kaufen?«
Sie runzelte die Stirn. »Rauchst du etwa dieses Mistzeug? Für einen Nebelkopf hätte ich dich eigentlich nicht gehalten. Na gut, geht mich ja nichts an. Tomas kann dir sicher was verkaufen, sie hat immer einen Vorrat davon. Laß dir von ihr aber nicht mehr als einen Krontaler für das Päckchen abknöpfen, hörst du?«
›Mein Platz‹ war in der Gasse, wo ich Katarin gestern kennengelernt hatte; am entgegengesetzten Ende von Darons Ecke. Katarin sah sich sehr zufrieden um und sagte: »Das ist ein guter Platz, Elloran. Du wirst sehen, ich bescheiße dich nicht. Neben dir steht Jannin, ihr werdet euch gut verstehen. Wenn du irgendwelche Fragen hast, wende dich ruhig an sie. Sie ist fast so lange hier wie ich – und so etwas wie meine Hand .« Sie kicherte und zog mich weiter.
Daron öffnete auf ihr Klopfen und winkte uns gähnend hinein. Sein Zimmer wirkte dunkel und kalt, er selbst schien gerade erst aus dem zerwühlten Bett aufgestanden zu sein. »Setzt euch irgendwo hin, ich komme sofort.« Er ging durch die Hintertür hinaus in den Hof. Ich sah mich
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