Ellorans Traum
nachfeiern.«
In tiefstes Elend versunken, hörte ich kaum, was er sagte. Er knuffte mich leicht. »He, Ell, was ist los mit dir? Du hast es überstanden, du kannst bald wieder aufstehen, und dann wirst du schon sehen, wie schnell du wieder bei Kräften bist.«
Ich lachte bitter. »Julian, m-mach mir doch nichts vor. Ich sterbe, das weißt du genausogut w-wie ich!« Meine Stimme klang schrill.
Er schüttelte sacht den Kopf, seine kühlen Augen blickten amüsiert. »Wer spricht vom Sterben? Du mußt noch lange nicht übers Sterben nachdenken, mein Guter, das kann ich nämlich verhindern. Vorausgesetzt ...« Er hielt inne und kniff die Lippen zusammen.
»Vorausgesetzt?« fragte ich atemlos.
Er studierte seine Handflächen, als stünde die Antwort auf alle Fragen der Welt in ihnen geschrieben, und ließ mich zappeln. »Ich bin ein wenig auf deine Unterstützung in einer unangenehmen kleinen Angelegenheit angewiesen«, bemerkte er schließlich leichthin. Sein harter Blick strafte den unbekümmerten Ton seiner Stimme allerdings Lügen. »Wenn du versprichst, mir dabei unter die Arme zu greifen, sorge ich dafür, daß das Gift aus deinem Körper verschwindet, samt aller Schäden, die es bereits angerichtet hat. Außerdem denke ich, daß ich weiß, wer dich vergiftet hat.«
Ich packte ihn erregt an der Schulter. »Julian, du m-mußt es mir sagen! Bitte, du mußt!«
Er machte sich frei und stand auf. Er schien mit sich zu ringen.
»Du solltest erst wieder zu Kräften kommen«, sagte er schließlich. »Wenn du brav bist und tust, was ich sage, dann ist das bald der Fall. Und dann werde ich dir alles sagen, was ich weiß.«
Ich bettelte und flehte, aber er blieb unnachgiebig. Also schickte ich mich drein und tat zähneknirschend, was er verlangte. Ich schlief und aß, schluckte ekelhaft aussehende und schmeckende Arzneien, machte brav die Übungen, die er mir verschrieb, um meine Muskulatur wieder zu kräftigen und übte mich ansonsten in Geduld. Die Träume verließen mich nach und nach – nur mein Dämon tauchte unermüdlich immer wieder neben meinem Lager auf und fragte: »Weißt du es, Elloran? Hast du die Antwort?«
Ich weigerte mich, sie zur Kenntnis zu nehmen, und sie verschwand jedesmal mit enttäuschter Miene, um in der nächsten Nacht mit derselben Frage wiederzukehren.
Nach zwei Wochen gestattete Julian mir, mein Bett zu verlassen und mich im Haus und dem kleinen, verwilderten Garten dahinter umzusehen. Es war bereits erstaunlich mild und warm, die Bäume hatten fast alle schon kleine Blättchen, und es roch wunderbar nach frischem Grün. Ich saß dort häufig auf einer winzigen Steinbank und ließ mich von der warmen südlichen Frühlingssonne bescheinen.
Julian kümmerte sich rührend um mich, obwohl er augenscheinlich Sorgen hatte. Er wirkte nervös und geistesabwesend, und wenn ich ihn fragte, was ihn bedrückte, winkte er nur ab. »Zerbrich dir nicht den Kopf darüber, Ell. Ich habe Ärger mit einigen Geschäftspartnern, und zu allem Überfluß ist auch noch die Garde deiner Großmutter aufgetaucht und sucht nach dir. Sie verbreiten eine schreckliche Unruhe in meiner Stadt. Aber keine Sorge, Neffe, sie werden dich hier bei mir nicht finden. Solange du nur das Haus nicht verläßt!«
Ich würde mich hüten, das zu tun. Meine Haare hatten längst ihre übliche Farbe wieder, und ich fühlte mich so auffällig wie ein Norrländer in einem olyssischen Dorf. Ich streifte lieber durch den Garten und verbrachte nach dem Mittagessen lange Stunden in Julians Bibliothek, die unmittelbar an sein Arbeitszimmer grenzte. Dort konnte ich auch manches Gespräch mithören, das er mit seinen Hauptleuten führte. Die Straffheit und Wirksamkeit, mit der er seine Geschäfte führte, beeindruckte mich. Das Talent schien er von seinem Vater geerbt zu haben. Nicht nur dieses Talent, fiel mir plötzlich ein. Ich erinnerte mich an das beiläufige Fingerschnippen, mit dem Karas damals den Stock in seine Finger hatte hüpfen lassen. Natürlich, von wem sonst sollte ich meine magischen Fähigkeiten geerbt haben?
An einem dieser Nachmittage konnte ich mitanhören, wie Julian seinen engsten Mitarbeiter Erman anfuhr. Das war insofern bemerkenswert, als Julian selten seine Stimme zu mehr als einem ärgerlichen Knurren erhob. Aber dieses Mal wurde er sogar recht laut.
»Es darf doch nicht wahr sein, daß du sie nicht in den Griff bekommst, Erman!« brüllte er. »Schaff dieses Weib um aller Götter willen hierher, ehe sie mir
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