Ellorans Traum
war fest davon überzeugt, ihn getötet zu haben!«
»Was war d-danach, Nik? Erinnerst du dich noch, h-hierher nach Haven gekommen zu sein?«
Er schüttelte benommen den Kopf. Ein Schatten flog über sein Gesicht. »Sturmhaven? Ich war hier einmal, aber das ist lange her. Wir wollten uns hier wiedertreffen ...« Er verstummte.
»Wir?«
»Omelli – Omellis Leute, wir ... wir ... Ich erinnere mich nicht!« Er schluchzte fast.
»Nik, Omellis Leute sind ...«, begann ich aufgeregt, aber eine sanfte, dunkle Stimme unterbrach mich: »Was sehe ich: den treulosen Geliebten in den Armen eines Rivalen? Oh, mein armes Herz zerspringt vor Qual!«
»Tom«, rief ich erleichtert und kam mühsam auf die Beine. Er hatte sich so leise genähert, daß ich ihn nicht gehört hatte. Er umarmte mich und gab mir einen herzhaften Kuß. Nikal war aufgesprungen und sah ihn mißtrauisch an.
»Was fingerst du an meinem Jungen herum, Kerl«, knurrte er.
Tom blickte erstaunt auf ihn und verzog seinen Mund zu einem breiten, häßlichen Grinsen. »Bei Omellis Glasauge, Elloran, du hast es wahrhaftig geschafft, ihn aufzutreiben! Ich hätte dich beinahe nicht erkannt, Kolja. Добрый вечер, мой дорогой друг!«
Nikals Gesicht verzerrte sich unheimlich. Ich sah mit geweiteten Augen zu, wie der alte Nik erneut dem schrecklichen neuen Bewohner seines Körpers wich. Er hob die Hand, und ich schrie: »Tom! Vorsicht, er hat ...« Im selben Augenblick schleuderte Nikal seinen Dolch. Tom warf sich blitzschnell zur Seite. Das Messer streifte seinen Arm und blieb zitternd im Boden stecken. Tom sprang fauchend auf und streckte seine Hände aus. Schaudernd sah ich lange, messerscharfe Krallen aus seinen Fingerspitzen schießen. Nikal stöhnte entsetzt auf und faßte nach der Narbe unter seinem Auge. Tom bewegte sich tänzelnd auf ihn zu, und Nikal zog sein Schwert, kalkweiß und hastig atmend. Lautlos wie Gespenster tauchten jetzt auch die anderen rund um uns auf: Quinn, Akim, Ranan und der unheimliche Galen.
Nikal fuhr rasend zu mir herum, das hagere Gesicht haßverzerrt. »Du kleines Miststück!« fauchte er. »Ich wußte es doch! Was haben sie dir dafür bezahlt?« Er packte meinen Arm und zerrte mich wie einen lebenden Schild vor sich. »Wenn auch nur einer von euch mir zu nahe kommt, stirbt der Junge«, keuchte er. Ich spürte seinen zischenden Atem an meinem Ohr. Auf der Suche nach einem Fluchtweg bewegte er sich langsam rückwärts und zog mich dabei mit sich.
Die fünf Gefährten fächerten wortlos aus und kreisten uns ein. Nikal hob das Schwert an meine Kehle und drohte: »Ich spaße nicht!« Ich zweifelte keine Sekunde an seinen Worten.
»Ran«, befahl Quinn ruhig. Die große, rotblonde Frau stand einige Schritte entfernt vor uns, entspannt und offenbar völlig unbewaffnet. Mir war schleierhaft, wie sie von dort, wo sie stand, irgend etwas ausrichten wollte, ohne daß Nikal mir vorher sein Schwert durch den Hals jagte.
Nikal ließ sie nicht aus den Augen und bemerkte deshalb nicht, daß Akim und Galen sich von beiden Seiten langsam und schrittweise an uns heranschoben. Die Riesin griff mit einer kreuzenden Bewegung nach ihren beiden breiten Lederarmbändern und riß sie ab. Ich glaubte, meinen Augen nicht trauen zu können, als aus ihren Handgelenken die langen, tödlichen Peitschenstränge schossen, mit denen sie damals unseren Angreifern die Hälse gebrochen hatte. Zwei von ihnen schlangen sich blitzschnell um Nikals Arm und entwaffneten ihn. Er kreischte vor Entsetzen und Ekel und stieß mich in seiner Panik von sich. Hektisch versuchte er, die Fesseln von sich abzustreifen, aber Ranan umschlang unaufhaltsam seine Arme und den Brustkorb mit ihren seltsamen Gliedmaßen, bis er kaum mehr in der Lage war, sich zu bewegen. Er schrie wie ein Tier und warf sich zur Seite, aber die riesige Frau hielt ihn erbarmungslos gefesselt.
Jetzt trat Akim hinter ihn und stieß ihm eine fingerlange, blitzende Nadel in den Nacken. Nikal warf den Kopf zurück und schrie in höchster Todesangst. Ich sprang eilig auf und wollte zu ihm, aber Quinn, die das Geschehen regungslos beobachtete, rief scharf: »Haltet den Jungen fest!«
Tom packte fest zu und zerrte mich beiseite. »Sieh lieber nicht hin, Kleiner«, flüsterte er. »Das ist kein schöner Anblick.« Ich sah die schwarzen, dolchähnlichen Krallen an seinen Händen, die sich durch meine Ärmel bohrten und erstarrte vor Entsetzen.
»Laß mich l-los«, keuchte ich. »Was habt
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