Ellorans Traum
Seine Lippen brannten wie eisiges Feuer. »Jetzt sage mir eines«, fuhr er eifrig fort, »was plant Leonie? Wie will sie das Duell gewinnen?«
Sein mageres Gesicht war sehr dicht an meinem, und ich antwortete mechanisch: »Ich weiß es nicht, Julian. Sie hat es mir nicht verraten. Aber sie sagte ...« Ein lauter Ruf aus dem Garten unterbrach mich jäh.
Julian preßte die Lippen erbost aufeinander, dann drängte er: »Sprich weiter, meine Liebste! Was hat sie gesagt?« Aber der Zauber war gebrochen. Ich entriß ihm meine Hände und schrie entsetzt auf.
»Elloran!« antwortete mir Jenkas Stimme. »Was ist?«
Julian stand vor mir, die Hände zu Klauen geformt und griff nach meinen Schultern, um mich grob zu schütteln. »Was hat sie gesagt?« zischte er. Ich schrie wieder, laut und ein wenig hysterisch.
Jenka brüllte: »Ich komme, halte durch!« Zweige rauschten, knackten und brachen, als sie sich mit ihrem Schwert den kürzesten Weg durch die Hecken in das Herz des Irrgartens bahnte. Julian schrie haßerfüllt, und ein Rabe schwang sich häßlich krächzend in die Luft. Einen Wimpernschlag später stand Jenka vor mir, heftig atmend, zerzaust und mit einer bösen Schramme auf der Stirn. Sie fuhr herum, das Schwert in der Faust und suchte den kleinen Platz ab, aber außer mir war niemand dort. Stirnrunzelnd kehrte sie sich zu mir um und fragte ergrimmt: »Warum kreischst du eigentlich so, bist du noch ganz bei dir? Ich dachte, du wirst ermordet!« Zornig stieß sie ihr Schwert in die Scheide zurück. Ich sah ihr zerrauftes Haar mit all den abgebrochenen Zweigen und Blättern darin und ihren wütenden Blick und fing hilflos an zu lachen. Ich konnte nicht damit aufhören. Ich krümmte mich, hielt mir die Seiten, Tränen liefen über mein Gesicht, und ich rang verzweifelt nach Luft.
Sie wandte sich erbost ab und wollte gehen, aber ich stieß atemlos hervor: »Jen, nein! Du hast mich g-gerettet. Julian ...«
Wieder packte mich der nächste Lachanfall. Ich befürchtete schon, daran schmählich ersticken zu müssen, als ein nicht allzu sanfter Schlag meine Wange traf. Ich japste erschreckt, und eine zweite Ohrfeige landete auf der anderen Wange. Das wirkte wie ein Guß kalten Wassers und ließ mein wahnwitziges Gelächter endlich vollständig verstummen. Ich blickte in Jenkas Gesicht und brach in Tränen aus. Ihre Arme umfingen mich und hielten mich fest. Sie strich über meine bebenden Schultern und drückte ihr Gesicht an meine brennenden Wangen. Ihre Lippen streiften über mein nasses Gesicht.
»Wie – warum hast du überhaupt nach mir gesucht?« fragte ich endlich unter Schluchzern. Sie zog mich auf die Bank, wo ich eben noch mit Julian gesessen hatte und legte ihre Arme schützend um mich.
»Tante Jemaina sagte, ich solle nach dir sehen. Sie war beunruhigt, konnte mir aber nicht sagen, weshalb. Nur, daß sie das Gefühl hatte, du seist in großer Gefahr.« Sie sah sich mißtrauisch um. »Wo ist eigentlich deine Wache? Bist du alleine hergekommen?«
Ich schüttelte den Kopf und erklärte ihr, was vorgefallen war. Sie zog mich wieder an sich und schimpfte halblaut: »Dieser Mistkerl, dieses bleiche, schleichende Scheusal! Ich habe ihn noch nie leiden können, früher schon nicht! Der soll mir zwischen die Finger kommen!« Ich mußte darüber lachen, wie sie sich ereiferte, aber dieses Mal war es ein gutes Lachen. Sie sah mich zuerst beleidigt an, aber dann lachte sie mit mir. Wir hielten uns umschlungen und kicherten wie zwei kleine Mädchen.
Ich pflückte einen kleinen Zweig aus ihrem krausen Haar und gluckste: »Wie d-du ausgesehen hast, als du durch die Hecke getrampelt kamst! Schade, daß er das nicht mehr gesehen hat, er wäre vor Schreck bestimmt gestorben.«
Sie lachte und fuhr sich mit den Fingern durch die Haare, um die Blätter daraus zu entfernen. »Was wird bloß die Krone sagen, wenn sie sieht, was ich aus ihrem schönen Irrgarten gemacht habe.«
»Sie wird dir einen Orden verleihen und dich zu ihrer Hand ernennen«, erwiderte ich übermütig lachend. Dann wurde es mir ganz warm uns Herz, und ich wiederholte sehr ernst: »Sie wird dich zu ihrer Hand ernennen, Jen!«
Sie sah mich mit einem spöttischen Grinsen an und entgegnete: »Aber sicher, Ell. Die Krone wird auf mich zutreten und sagen: ›Liebe Jenka, Wir sind so beeindruckt von deinen überragenden Fähigkeiten beim Heckenzertrampeln und Rosenschlachten, daß Wir Veelora in Pension schicken und dir Unseren Schutz übertragen.‹ Du
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