Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ellorans Traum

Ellorans Traum

Titel: Ellorans Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances G. Hill
Vom Netzwerk:
zweite lag dicht vor meinem Bett. Wie war sie durch die geschlossenen Läden ins Zimmer gekommen?
    Malima legte einen Armvoll frischgewaschener Kleider auf mein Bett, schüttelte noch einmal zutiefst mißbilligend den Kopf und ging hinaus. Ich hörte, wie sie auf dem Gang eines der Mädchen ausschalt, weil sie schlampig gefegt hatte. Ihre Stimme wurde leiser und verklang. Ich hockte mich auf die Bettkante und drehte nachdenklich Magramanirs Feder in den Fingern. Jemainas Medizin hatte gewirkt, ich konnte mich an jede unerfreuliche Einzelheit meines Traumes erinnern. Und was hatte ich davon? Es machte mich nicht im geringsten klüger, ich wußte nur, daß ich keine Lust verspürte, noch mehr davon zu erleben.
    Entschlossen stand ich auf und ging hinunter. Mein Atem stand in einer kleinen Wolke vor meinem Mund, aber die Luft erschien mir milder als in den letzten Tagen. Wir schrieben die Achtwoche des Dunklen Winters, er neigte sich nun endlich seinem Ende zu.
    Jemainas Kate lag dunkel und still da. Ich klopfte, aber drinnen rührte sich nichts, und die Tür war verschlossen. Ich stand verloren im Schnee, und meine Hände wurden kalt. Ich stopfte sie in die Hosentaschen und lief über den Hof zum Eckturm. Nachdem ich die steile Treppe erklommen hatte, war mir wieder warm. Julian schien wieder einmal nicht da zu sein. Auch die Wehrplatte lag bis auf den hereingewehten Schnee leer vor meinem suchenden Blick. Also stieg ich wieder hinab in den Hof und stromerte unentschlossen ein wenig herum. Ich hätte gerne mit jemandem über meine Alpträume gesprochen, aber alle meine Freunde schienen sich verschworen zu haben, mir aus dem Weg zu gehen.
    Schließlich besorgte ich mir aus der Küche ein Stück salzigen Käse zum späten Frühstück und zog mich damit auf die Zinnen über dem Torhaus zurück. Ich wickelte meine dicke Winterjoppe enger um mich, ließ meine Beine von der Mauer baumeln, kaute den bröckeligen Käse und dachte nach. Der Traum dieser Nacht hatte meine Überzeugung gefestigt, daß ich wirklich eine Zwillingsschwester besaß und daß sie in großer Gefahr schweben mußte. Aber welcher Art diese Gefahr war und wo ich mit der Suche nach ihr beginnen sollte, blieb mir verborgen.
    Finster entschlossen, endlich einige Antworten zu erhalten, stapfte ich erneut hinüber in den Kräutergarten. Aus dem Schornstein der Kate kräuselte sich Rauch, und ich klopfte und trat ein. Jemaina war gerade dabei, Tee aufzubrühen. Als sie mich erblickte, stellte sie wortlos einen zweiten Becher auf den Tisch und schenkte ihn voll. Sie zog sich den Stuhl heran und fragte, wie ich geschlafen hätte.
    Ich nahm einen großen Schluck von dem starken, süßen Tee und erzählte es ihr in allen Einzelheiten, ohne mit meiner Erbitterung über die Wirkung ihrer Pillen hinter dem Berg zu halten.
    »Laß mich noch ein wenig darüber nachdenken«, bat sie. »Und nimm die Medizin weiter, Ell, ich bitte dich.« Ich protestierte, aber sie blieb hart. »Glaube mir, Kind, es ist besser für dich. Auch wenn du dich nicht an sie erinnerst, sind die Träume in deinem Geist und vergiften dich langsam.« Mitleidig strich sie mit ihrem dunklen Daumen über meine Handfläche, deren Haut leicht gerötet war, wie von zu heißem Wasser. Ich starrte sprachlos darauf nieder, dann schüttelte ich die düsteren Gedanken ab und fragte Jemaina nach meiner Schwester. Sie schwieg lange, die dunklen Brauen zusammengezogen. Endlich hob sie den Kopf und sah mich traurig an.
    »Ich kann dir nichts dazu sagen, Elloran. Nein, unterbrich mich nicht«, mahnend hob sie die Hand. »Ich darf es nicht. Es gehört nicht mir. Die-Die-Spricht würde es mir verübeln, und Der-Der-Hört könnte sein Ohr von dir abwenden. Ich darf es nicht, Elloran.«
    »Aber hör doch, Jemaina«, flehte ich. »Meinst du nicht, daß es mir gehören könnte? Schließlich erscheint sie nachts in meinen Träumen und bittet mich um Hilfe!«
    »Ich bin nicht diejenige, die es dir weitergeben darf.« Jemaina blieb unnachgiebig. Ich kannte sie gut genug, um zu wissen, daß sie keinen Fingerbreit weichen würde. »Ell, sieh mich nicht so wütend an. Du mußt deine Mutter fragen, wenn du etwas wissen willst.«
    »Das hat doch überhaupt keinen Zweck«, schrie ich aufgebracht. »Sie wird böse und schickt mich ohne Abendessen ins Bett, als wäre ich ein kleines Kind, und damit ist die Sache für sie erledigt!«
    Das Klappen einer Tür unterbrach unseren Streit. Es kam aus dem kleinen Nebenraum der Kate, wo

Weitere Kostenlose Bücher