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Ellorans Traum

Ellorans Traum

Titel: Ellorans Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances G. Hill
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hinunter und wünschte Jemaina eine gute Nacht. Eine Weile stand ich noch im Hof und betrachtete den Himmel über mir. Die Nacht war sternenklar, und ich konnte das Halsband der Göttin sehen, weil erst einer der beiden Monde, der Kleine Bruder, im Aufgehen begriffen war. Ich schickte einen wortlosen Wunsch zum Halsband, Nikal und meine Traumschwester gleichermaßen einschließend, und ging fröstelnd hinein in die dumpfe Luft des schlafenden Palas. 

5
    J ulians und Nikals geplante Abreise verzögerte sich wegen des stürmischen Wetters, das sich pünktlich zum Winterende noch einmal eingestellt hatte. Nikal hatte seine Ankündigung wahrgemacht und meinen Vater um seinen Abschied gebeten. Morak hatte seinem Wunsch zuerst nicht entsprechen wollen. Er hielt die Bitte für ausgemachten Unsinn, für einen Anfall von Launenhaftigkeit nach einem langen, untätig verbrachten Winter. Nach einigem Zögern hatte er Nikal jedoch Urlaub gewährt, damit er zur Stadt der Magier reisen konnte, aber auch das nur, weil sein Kommandant damit gedroht hatte, andernfalls kurzerhand zu desertieren. Nikal erschien mir inzwischen fast wieder gesund. Er hatte zwar nicht zu seinem alten, gutgelaunten Wesen zurückgefunden, aber die erschreckenden Anfälle von unkontrollierter Wut und Gereiztheit gehörten der Vergangenheit an. Zudem hatte Jemaina ein taugliches Mittel gegen seine Kopfschmerzen gefunden. Ich fragte mich, warum er überhaupt noch mit Julian gehen wollte.
    Meine Nächte waren erträglicher geworden. Die Träume peinigten mich zwar noch immer, erreichten aber nicht mehr das Schreckensmaß ihrer Vorgänger. Dennoch verfolgte mich das Bild meiner verzweifelten, von dunklen Mächten verfolgten Schwester. Ich saß untätig herum kaute an meinen Fingernägeln und wartete voller Ungeduld auf die Einladung der Krone, als könne sie auf einen Schlag all meine Probleme lösen.
    An einem dieser zum Verzweifeln ereignislosen Nachmittage – ich drückte mich gerade in der Halle herum und lauschte unaufmerksam einem der endlosen Wortgefechte zwischen unserem Stallmeister und dem Schmied – da stürmte mein alter Feind, der dicke Bernak, durch die Tür.
    »Leute, das müßt ihr euch ansehen«, brüllte er mit sich überschlagender Stimme. »Der Heilige Nikal – voll wie ein Lampenfisch!«
    Alle ließen fallen, was sie gerade in den Händen hielten, und drängten sich zur Tür. Unseren ungläubigen Augen bot sich ein wahrhaft bemerkenswerter Anblick: Der massige Kommandant der Wache überquerte mit stolz erhobenem Haupt den Burghof, in mustergültig straffer Haltung, sehr gerade, sehr konzentriert und offensichtlich sehr betrunken.
    Zu allem Unglück trat in diesem Augenblick mein Vater aus der Tür des Gesindehauses. Ich sah sein Gesicht: zuerst ungläubig und dann dunkel vor Zorn. Der Burgherr winkte den einäugigen Janik herbei und gab ihm einen schroffen Befehl. Janik salutierte mit unglücklicher Miene und ging auf seinen Kommandanten zu. Er griff nach Nikals Arm, doch der ließ sich nicht beirren. Er schüttelte Janik Einauge ab wie einen zudringlichen Köter und setzte seinen langsamen Gang zum Burgfried fort. Janik knurrte etwas und packte fester zu. Nikal versetzte ihm einen heftigen Hieb mit der Faust, der den kleineren Mann etliche Schritte zurücktaumeln ließ. Erneut warf sich Janik auf ihn – ich bewunderte seine Hartnäckigkeit – und schrie gleichzeitig laut nach Verstärkung. Drei Wachen stürmten im Laufschritt auf den Hof und stürzten sich in das Handgemenge. Mein Vater stand mit versteinerter Miene da und sah zu, wie Nikals Fausthiebe zwei der Männer blutend zu Boden schickten. Erst, als noch weitere Soldaten hinzukamen, gelang es ihnen mit vereinten Kräften, ihren tobenden Kommandanten niederzuringen. Die gaffende Menge pfiff und johlte zu diesem Schauspiel, aber ein wutflammender Blick des Burgherrn ließ das Publikum schnell verstummen und sich wieder in die Halle zurückziehen.
    Ich löste mich aus meiner Erstarrung und rannte wie von bösen Geistern gehetzt zu Jemainas Kate. Laut rufend und gegen die Tür trommelnd scheuchte ich sie heraus.
    Als wir den Ort des Geschehens erreichten, war bereits alles vorbei. Vier Soldaten saßen oder lagen verletzt am Boden, einer von ihnen war bewußtlos. Weder Nikal noch mein Vater war zu sehen, und der Hof schien leer bis auf einige Wachen, die sich um die Verletzten kümmerten. Jemaina schob wortlos einen Mann zur Seite, der neben dem bewußtlosen Reuven kniete, und

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