Ellorans Traum
Pelz bedeckt; selbst auf seinen Händen und sogar an den Spitzen seiner großen Ohren sprossen kleine Haarbüschel. Wie um diese auffällige Behaarung noch zu unterstreichen, war sein Gesicht säuberlich glattrasiert und das Haupthaar über dem stark zurückweichenden Ansatz ganz kurz geschoren. Das alles in Verbindung mit den spitzen schneeweißen Zähnen, die ich in seinem Mund blitzen sah, weckte in mir die groteske Vorstellung, ein wunderbarerweise auf zwei Beinen gehendes Tier vor mir zu haben: Es hätte mich nicht weiter verwundert, ein Miauen statt der kultivierten menschlichen Stimme aus seinem Munde zu vernehmen.
»Sei so gut, junger Freund, und gewähre mir dein Geleit zu unserem Wagen«, unterbrach er mich mit einer ungeduldigen Geste. »Ich besitze keinerlei Gedächtnis für langweilige Wegbeschreibungen, aber mein prosaischer Gefährte dort hinten hat darin bisher immer hervorragendes Talent bewiesen. Bitte erweise dich als der wohlmeinende Schutzgeist meines geplagten Hirnes und schildere ihm unsere Route.«
Ich konnte kaum noch an mich halten. Der Kutscher rettete mich aus der peinlichen Lage, diesem überaus gesitteten und höflichen Fremden geradezu ins Gesicht zu lachen.
Er rief ungeduldig: »Was ist denn nun, Kater? Kennt der Junge den Weg oder nicht? Ich habe keine Lust, hier Wurzeln zu schlagen!« Der Kater – welch passender Beiname! – sah mich an und ließ amüsiert eine seiner Brauen emporzucken.
»Ich könnte euch zur Burg führen«, schlug ich vor, während ich neben ihm her auf den Wagen mit seinem gereizt dreinschauenden Fahrer zuging. Diese beiden Fremden genauer in Augenschein zu nehmen, erschien mir noch weitaus reizvoller als ein Schläfchen mitten am Tag. Der Kater ließ ein unverbindliches Geräusch hören. Anscheinend war nicht er derjenige, der die Entscheidungen für beide traf. Neugierig schaute ich den anderen Mann an. Aus der Entfernung hatte ich die beiden für Brüder gehalten, aber der Eindruck verflüchtigte sich, als ich mich dem Wagen näherte. Zwar gab es gewisse Ähnlichkeiten: der Kutscher war ebenfalls von kleiner Statur und dunkelhaarig; aber damit endeten die Gemeinsamkeiten auch schon. Wo der Kater stämmig, fast untersetzt war, wirkte dieser Mann zierlich und feingliedrig. Aus einem dreieckigen olivfarbenen Gesicht blickte ein Paar hellbrauner mandelförmiger Augen, die, zusammen mit einer schmalen, gebogenen Nase und dem feingeschwungenen Mund, nahezu weiblich anmuteten. Oberflächlich gesehen strahlte der junge Mann Sanftheit und eine kindliche Einfalt aus. Doch dieser Eindruck, merkte ich sofort, trog: der scharfe Blick, der mich aus den großen Augen traf, war alles andere als sanft oder unschuldig.
»Nun?« fragte er mürrisch.
»Alles in wunderbarer Ordnung, Maddoc. Dieser freundliche junge Herr wird uns zur Burg führen«, erwiderte mein Begleiter fröhlich. Der andere runzelte die Stirn.
»Na gut«, gab er widerwillig nach. »Er kann unterwegs einige Fragen beantworten, damit ich weiß, was uns dort erwartet.« Er rückte ein wenig zur Seite, damit ich den Bock erklimmen und mich neben ihm niederlassen konnte. Mit einem leisen Schnalzen und einem auffordernden Ruck der Zügel gab er dem dürren Schimmel den Befehl, sich in Bewegung zu setzen. Der Kater bestieg seinen Fuchs und ritt im Schritt neben uns her.
Da der Mann namens Maddoc keinerlei Anstalten unternahm, mir irgendwelche Auskünfte zu entlocken, beschloß ich, zunächst meine eigene Neugierde zu befriedigen. »Wer seid ihr? Gehört ihr zu den Fahrenden?« Maddoc schwieg, aber sein redseliger Begleiter wandte sich mir zu.
»Ganz recht, junger Herr. Vor dir siehst du den dir sehr ergebenen Sänger und Spielmann S'TomCroQ'nan«, er deutete eine kleine Verbeugung an, »und neben dir lenkt der ehrenwerte und nicht sehr gesprächige Heiler Akim unser edles Roß.« Der Kutscher warf ihm einen schrägen Blick zu und brummelte etwas nicht sehr Schmeichelhaftes. Ich staunte den Spielmann an.
»S' ... TomCro ...« versuchte ich mich vergeblich an dem zungenverknotenden Namen mit den vielen Knacklauten.
» ... CroQ'nan«, half er mir lachend aus. »Aber meine Freunde nennen mich – meist ...«, er blickte vielsagend auf seinen mürrischen Begleiter, »ganz schlicht nur Tom. Bitte, mein lieber junger Freund, ziere dich nicht und tue desgleichen.« Einen Augenblick lang war ich sprachlos. Ich sortierte die gedrechselte Rede des Spielmannes im Geiste auseinander und holte dann entschlossen
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