Ellorans Traum
bis auf die bedauernswerten Soldaten der Nachtwache – sondern auch eine erkleckliche Anzahl von Dorfleuten. Die Halle summte und brummte und schwirrte wie ein überfüllter Bienenstock.
Endlich erschienen auch der Burgherr und seine Gemahlin und nahmen feierlich Platz: die Vorführung konnte beginnen. Ich blickte mich um und suchte nach Akim und Jemaina, konnte sie aber nirgends entdecken. Wahrscheinlich nutzten sie die laue Sommernacht für ein ungestörtes Beisammensein.
Der Spielmann trat auf. Ein bewunderndes Raunen und Murmeln ging durch die Versammlung. Hatte ich bisher seine alltägliche Kleidung für farbenfroh gehalten, wurde ich nunmehr eines Besseren belehrt. Ich war versucht, meine Augen zu beschirmen wie vor allzu hellem Sonnenschein. Toms wie angegossen sitzende Beinkleider protzten mit einer strahlend kornblauen und einer rubinroten Hälfte; das weite schneeige Hemd war mit schwarzen und goldenen Stickereien am Hals und an den Ärmeln versehen, und die enggeschnürte Weste erinnerte in all ihrer Farbenpracht an einen seltenen Schmetterling oder einen Sonnenuntergang im Herbst: goldene gestickte Ranken wetteiferten mit blitzenden kleinen Spiegelplättchen in allen Schattierungen des Regenbogens, die das Fackellicht tausendfach zurückwarfen. Ein kecker blauroter Mantel, der von einer goldenen Kordel gehalten wurde, wehte von Toms Schulter, und sein Haupt zierte eine weiche blaue Kappe, von der zwei lange goldgrüne Federn herabwallten. Ich sah einigen verständlichen Neid in den Gesichtern der anwesenden Frauen.
Der Spielmann erklomm behende das Podest und verbeugte sich schwungvoll. »Edler Herr dieser prachtvollen Burg und hochverehrte domna , geschätzte Anwesende, ich darf mich vorstellen: Vor euch steht S'TomCroQ'nan, der Sänger der Könige, der euch nunmehr eine Kostprobe seiner Kunst zu geben wünscht.«
Er verbeugte sich erneut, daß seine weiten Ärmel und der kurze Mantel nur so flatterten. Ohne weitere Vorrede griff er zu seiner Laute und ließ einen einstimmenden Akkord zerflattern. Dann hob er an zu singen: die Ballade von der Schönen Meliane und ihrem ungetreuen Liebhaber. Sein klangvoller Bariton drang mühelos und weich bis in den letzten Winkel der Halle, und niemand wagte, auch nur eine Wimper zu rühren, um nur ja nichts zu verpassen.
Als der letzte, klagende Ton verklang, war zunächst nur das verstohlene Schniefen und Seufzen der ergriffenen Zuhörerinnen zu vernehmen. Ich muß gestehen, daß auch ich außerordentlich beeindruckt war. Der nun aufbrandende Applaus kam laut und begeistert. Tom quittierte ihn mit einem strahlenden Lächeln und einer erneuten eleganten Verbeugung. Dann stimmte er ein fröhliches Trinklied an, in dessen Refrain bald einige der mutigeren Zuhörer einzufallen wagten. Auf diese Weise wechselten sich frohe und traurige Lieder ab, so daß die Zeit wie im Fluge verging. Mir erschien inzwischen sogar der hochfahrende Titel ›Sänger der Könige‹ nicht länger vermessen, mit dem Tom sich so stolz selbst bezeichnet hatte. Seine Stimme war von wohllautender Schönheit und Wärme in den langsamen Balladen, und darüber hinaus zugleich in der Lage, Liedern grotesken oder komischen Inhaltes die angemessene Färbung zu verleihen. Sein Lautenspiel war, so weit ich das mit meinem ungeübten Ohr beurteilen konnte, wahrhaft meisterlich zu nennen.
Als er sein Programm beschloß, wollten der Jubel und die Hochrufe kein Ende finden. Er winkte dankend, verbeugte sich ein um das andere Mal und gab dann mit einem kleinen, halb enttäuschten, halb selbstzufriedenen Lächeln noch eine Handvoll Zugaben; zumeist bekannte Lieder, die die Anwesenden mitsingen konnten, was sie auch voller Vergnügen taten. Endlich legte er die Laute beiseite und hob die Hände.
»Freunde, bitte habt Erbarmen! Ich danke euch sehr für euren Beifall, aber einmal muß Schluß sein. Meine Finger bekommen Blasen, ich beginne, heiser zu werden, und meine Kehle verschmachtet nach einem Becher kühlen Weines. Ich bin sicher, daß ihr mir den vergönnt!«
Lachende Zurufe bezeugten Verständnis für seinen Wunsch, und ein gefüllter Becher, aus dem es dunkelrot schwappte, wurde alsbald durch die Menge nach vorne gereicht. Mein Vater war unterdessen an den Sänger herangetreten, der ihm nun zuprostete und dann einen ordentlichen Schluck nahm. Morak dankte Tom für seine Vorstellung und reichte ihm ein wohlgefülltes Ledersäckchen, das der Sänger unter Verbeugungen fingerfertig in seinem Umhang
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