Ellorans Traum
verlassen? Wer hat dir erlaubt, aufzustehen? Du legst dich sofort wieder hin!« Ich verzog mich vorsichtshalber aus der Gefahrenzone.
Tom blinzelte den aufgebrachten Heiler mutwillig an und sagte matt: »Befehl von oben, Maddoc. Schrei doch zur Abwechslung ein bißchen mit Quinn herum.«
»Das werde ich«, versprach Akim ergrimmt. »O ja, das werde ich. Du legst dich auf deinen verdammten Rücken und hältst dein Maul! Das gleiche gilt für dich, Landplage!« fügte er in meine Richtung hinzu. Rumms! schmetterte die Tür wieder ins Schloß. Er schien uns immerhin für so weit genesen zu halten, daß wir das vertragen konnten.
Tom machte nicht den Eindruck, als wolle er dem Befehl des Heilers Folge leisten. Er fluchte leise und kam wieder auf die Beine. Etwas wackelig ging er zur Tür und öffnete sie. Er warf einen vorsichtigen Blick hinaus, wandte sich zu mir und legte einen Finger auf die Lippen.
»Bleib hier, schlaf noch etwas«, flüsterte er. Er zwinkerte mir zu und kletterte schwerfällig aus dem Wagen. Die Türe schloß sich sachte hinter ihm, und ich lag allein in der dämmrigen Stille des Wagens. Ich mußte wirklich wieder eingenickt sein, denn das nächste, was ich hörte, war Quinns schroffe Stimme, die von draußen zu mir hereinschallte.
»Ich glaube, Commander, Sie sind mir eine Erklärung schuldig. Bisher habe ich Ihre Eskapaden immer geduldet, aber das hier geht jetzt wirklich zu weit! Was haben Sie sich bloß dabei gedacht, dieses Kind mitzuschleppen und damit unseren gesamten Auftrag zu gefährden?« Schweigen.
»Meine Güte, Tom! Was hat dich nur geritten?« brüllte Quinn. »Du verlauster Sohn einer Straßenkatze! Hör endlich auf, mit deinen Testikeln zu denken und benutze zur Abwechslung einmal deinen Kopf! Du weißt genau, daß es mir gleich ist, wo und mit wem du herumbumst, aber dieses Mal hast du alle Grenzen überschritten. Kannst du mir bitte sagen, wie ich das alles Omelli erklären soll?« Ich hielt es nicht mehr aus und kroch langsam aus dem Wagen – wie eine geisteskranke Schnecke aus ihrem Haus.
Quinn tigerte vor Tom auf und ab, der schweigend und totenbleich auf einer Kiste hockte. Akim und Ranan standen mit betroffenen Gesichtern hinter ihm und blickten wie hypnotisiert auf ihre schäumende Anführerin. Auf unsicheren Beinen tappte ich zu Tom hinüber und baute mich neben ihm auf. Quinn starrte mich an, und ich erfuhr am eigenen Leib, wie ein Kaninchen sich unter dem Blick eines Habichts fühlen mußte. Die kalten grauen Augen nahmen mich erbarmungslos auseinander und setzten mich nachlässig wieder zusammen. Ich merkte, daß ich am ganzen Leib bebte. Tom griff nach meiner Hand und umklammerte sie so fest, daß ich meinte, meine Knochen knirschen zu hören.
»Was zum ...«, murmelte Quinn. Ihr Gesicht zeigte einen Ausdruck des Erstaunens. Sie trat an mich heran und faßte nach meinem Kinn. Sie drehte meinen Kopf zur Seite und zurück und musterte mich aus schmalen Augen unter zusammengezogenen Brauen. Dann ließ sie mich los und trat einige Schritte zurück. Ihre Miene war nachdenklich. Ich sah Tom fragend an, aber er schien über Quinns eigentümliches Verhalten genauso befremdet zu sein wie ich.
Sie holte tief Luft und drehte sich wieder zu uns. »Also gut. Ehe unser verehrter Doktor mir ins Gesicht springt: Tom, du legst dich wieder hin. Die Sache ist für mich noch nicht erledigt, aber ich verschiebe die Klärung auf einen späteren Zeitpunkt. Akim, Ranan, macht alles reisefertig. Ich will noch mit dem Jungen reden.« Mir rutschte das Herz in die Hose.
Tom stemmte sich hoch und sagte flehend: »Quinn ...« Sie sah ihn abweisend an, dann wurde ihr Gesicht um eine winzige Nuance weicher.
»Leg dich hin, Kater«, wiederholte sie. »Ich werde deinem Liebsten schon nicht die Nase abbeißen.« Tom senkte den Kopf und gehorchte. Ich spürte noch den Druck seiner Hand, dann war er fort. Von allen alleingelassen, stand ich vor dieser schreckenerregenden Frau und bemühte mich, meine Angst nicht so deutlich zu zeigen. Sie bedeutete mir, mich zu setzen und ging wieder auf und ab. Gedankenverloren rieb sie dabei über ihren Armstumpf.
»Du siehst mich an, als hieltest du mich für ein Ungeheuer«, sagte sie ruhig. Sie blieb dicht vor mir stehen und blickte mir ins Gesicht. »Nun?« meinte sie sanft, als ich schwieg.
Ich faßte mir ein Herz und öffnete den Mund. »Jjjj ...« Im zweiten Anlauf brachte ich endlich ein ›Ja‹ hervor und ließ es dabei bewenden.
Quinn
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