Ellorans Traum
Fellen in einem kleinen, schaukelnden Zimmer mit dunklen Wänden und einer niedrigen Decke aus Holzplanken. Die Hände legten mir etwas Kühlendes auf die Stirn.
»Weißt du, wer ich bin?« fragte die Stimme. Ich versuchte mich zu erinnern, aber Stimme und Hände und Gesicht blieben mir trotz der Vertrautheit, die ich empfand, fremd und entzogen sich einer Benennung. Ich krächzte einen Laut des Bedauerns. Die Hände zogen das Laken um mich glatt und strichen mir sanft über die Schulter. »Quäl dich nicht, das kommt schon alles wieder. Schlaf, Elloran.«
Elloran. Das war – das war ... Das Abbild eines vertrauten Gesichtes erschien vor meinen Augen, aber das war – ja, das war meine Schwester. Wie hieß sie noch? Elloran. Ja, Elloran. Etwas, an das ich mich halten konnte. Erleichterung. Ich schlief ein und erwachte, schlief ein und erwachte, trank Wasser, und jemand – andere Hände, andere Stimme; Frau, nicht Mann, flößte mir etwas Warmes, Salziges ein. Suppe. Hände, Suppe, Elloran.
Als ich das nächste Mal erwachte, hatte sich etwas verändert. Mein Kopf schmerzte nicht mehr gar so stark. Die Stimme eines Mannes – die erste, freundliche – sprach wieder, aber nicht zu mir. Da war noch ein Jemand in dieser schwankenden, rüttelnden Kammer. Ich erinnerte mich, ihn schon vorher bemerkt zu haben, aber ich hatte ihn wieder vergessen.
»Anscheinend hat die Katze doch mehr als neun Leben. Wenn ich alleine nachzähle, wie oft ich dich in den letzten Jahren wieder zusammenflicken durfte ... Du hast ein verdammtes Glück gehabt. Er hat auf dein Herz gezielt, und er hat gut gezielt!« Zwei Stimmen lachten, eine davon schwach und heiser. »Dank es deiner verqueren Anatomie, aber er hat dir ›nur‹ den linken Lungenflügel durchbohrt. Das Loch habe ich einigermaßen wieder gestopft, aber so leicht kommst du mir dieses Mal nicht davon: das Aquarium wartet schon auf dich!«
»O Maddoc, bitte! Das kannst du mir nicht antun!« stöhnte der andere schwächlich.
Aber die erste Stimme blieb unbarmherzig: »Keine Widerrede! Das ist schon lange fällig, und diesmal lasse ich keine Ausrede mehr gelten. Du kannst nicht mit einem löchrigen Lungenflügel herumlaufen, den ich nur mit Spucke und Bindfäden zusammenhalte. Das Aquarium: und wenn ich dich mit vorgehaltener Waffe dazu zwingen muß!«
»Was, etwa mit deiner todbringenden Bratpfanne? Ich erzittere vor Angst, mein Teurer!« Schwach, aber unverkennbar spöttisch. Erinnerung regte sich.
»Tom?« krächzte ich.
Verblüfftes Schweigen. »Hast du das auch gehört?« fragte die Stimme des ersten. Rascheln und Geräusch von Bewegung. Das hübsche, dunkle Gesicht erschien wieder in meinem Blickfeld. Ich wandte mühsam den Kopf und blinzelte. Unweit von mir lag ein stämmiger Mann auf einem improvisierten Lager. Er stützte sich zittrig auf die Ellbogen, auf seinem haarigen dunklen Brustkorb leuchtete ein heller Verband. Er sah mich aus schmerzverschleierten Augen an, sein Gesicht war voller Schatten.
»Hast du etwas gesagt, Elloran?« fragte der Freundliche. Sein Gesicht schien besorgt. Ich konzentrierte meinen verschwimmenden Blick auf ihn, und eine Schublade meines Gedächtnisses öffnete sich und gab widerwillig, wie ein Köter seinen Knochen, einen kleinen Brocken Information frei.
»Akim.« Die Erinnerungsarbeit strengte mich an. Ich schloß die Augen und schlief schon halb wieder. Die Hände – Akims Hände – strichen über meine Stirn.
»Es kommt wieder«, hörte ich ihn murmeln. »Gott sei gedankt, es kommt wieder.«
Ab da ging es mir mit jedem kurzen Einschlafen und Aufwachen besser. Bei einem der nächsten Male wußte ich wieder, wo ich war. Ich drehte mich vorsichtig auf meinem Lager, um zu Tom hinüberzusehen. Er schien zu schlafen, und sein krankes, abgezehrtes Aussehen erschreckte mich zutiefst. Ich tastete nach ihm und fand seine Hand. Sie fühlte sich erschreckend kühl an, und ich hielt sie fest mit meinen Fingern umschlossen, während ich wieder wegdämmerte.
Ranan, einen Napf mit Suppe in der Hand, weckte mich durch ihr Eintreten. Der Wagen stand still, und es war dämmrig. Sie lächelte breit und kauerte sich neben mich auf den Boden.
»Ablösung«, flüsterte sie. »Akim hat eine Pause verdient, deshalb darf ich dich füttern.« Sie half mir, den Kopf weit genug zu heben und hielt den Napf an meine Lippen. Ich trank gehorsam von der heißen Brühe, aber mehr als ein paar Schlucke konnte ich nicht zu mir nehmen. Mir war schwindlig und
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