Elsa ungeheuer (German Edition)
denn, die Gröhlers führten sie zum Essen aus.
Und Klamotten, die ausschließlich in den Ferien erlaubt waren – es sei denn, die Gröhlers führten sie zum Essen aus. Hier lag auch das weiße Trägerkleid, das laut Gustav gar kein Kleid war.
Elsa bestand darauf, dass das Murmeltier den dritten Haufen in Verwahrung nahm.
»Meinetwegen«, sagte Gustav. »Aber Herr Murmelstein, lassen Sie sich von dem Fräulein nicht an der Nase herumführen.«
In der Schweiz hatte Mathilde es versäumt, Elsa rechtzeitig einzuschulen, deshalb kam sie in dieselbe Klasse wie Lorenz, obwohl sie ein Jahr älter war.
Beide besuchten das städtische Gymnasium, an dem Gustav Gröhler Sport und Erdkunde unterrichtete. Während Elsa und mein Bruder jeden Morgen gemeinsam in den Bus stiegen, lief ich allein zur Dorfschule.
Zum ersten Mal musste ich den Pausenhof ohne Lorenz überstehen, und tatsächlich schienen einige Kinder nur darauf gewartet zu haben, mich schutzlos in die Hände zu bekommen.
Hubertus Gröhlers Unterricht war ein Witz. Oft sangen wir stundenlang stumpfsinnige Lieder oder lernten Gedichte auswendig, deren Inhalt uns ein Rätsel blieb. Vielleicht gab er sich keine Mühe, weil er wusste, dass die Mehrzahl seiner Schützlinge ohnehin in der Kartoffelchips-Fabrik enden würde. Für die wenigen, die aufs Gymnasium geschickt wurden, gab es ein böses Erwachen. Bald schon merkten sie, wie schlecht der Direktor sie auf die höhere Schullaufbahn vorbereitet hatte.
So erging es auch Lorenz. Versagen war eine neue Erfahrung für ihn. Er begann die Schule zu hassen. Auch Elsa verabscheute die Anstalt, doch aus einem ganz anderen Grund: Gustav Gröhler. Nicht einmal am Vormittag konnte sie sich seiner Kontrolle entziehen. Außerdem sorgten die Krawatten und die Kleider ihrer Mutter bei vielen Mitschülern, besonders den männlichen, für Spott und Häme. Diese dämlichen Kinder kannten Elsa nicht. Das Mädchen schreckte vor keiner Schlägerei zurück, sondern verteidigte sich bis zum Letzten.
Lorenz, der während der Ferien bei sämtlichen Handgemengen als Elsas Gegner aufgetreten war, kämpfte nun an ihrer Seite. Es war wohl seine Art, den anderen, denen Latein und Rechnen so leichtfiel, seine Überlegenheit zu demonstrieren. Wie auf allen Schulhöfen galt auch am städtischen Gymnasium die eiserne Regel: Petzen ist verboten. Eine Todsünde. Die Nase blutet, das Bein lahmt, trotzdem hält man den Mund. Der Ehrenkodex bewahrte vor allem Elsa – die Nichte des Sportlehrers – vor größeren Schwierigkeiten.
Außerhalb der Schule gerieten Lorenz und sie immer noch aneinander, doch im Grunde waren die beiden jetzt Verbündete. Obwohl sie mir von ihren Siegen und Niederlagen berichteten, mir jede neue Blessur präsentierten, fühlte ich mich außen vor. Etwas, an dem ich nicht teilhatte, verband das Mädchen und meinen Bruder.
Mit den Ferien endeten auch die freien Sonntage. Jeden Sommer schloss Pfarrer Lübbe die Pforten seiner Kirche. Als Vorwand dienten Umbauarbeiten oder Reparaturen, die niemals ausgeführt wurden, geschweige denn vonnöten waren.
Umso qualvoller gestalteten sich die ersten Gottesdienste nach der Sommerpause. Als ob er etwas nachholen müsste, predigte Lübbe extralang, und als ob er etwas wiedergutmachen müsste, predigte er extraernst.
Selbst Frau Kratzler, Herzjesuleins treueste Anhängerin, schluckte vor dem Kirchgang zwei Aspirin.
Die verwaisten Fremdenzimmer, die eingekehrte Stille ließen uns Hannas Abwesenheit deutlicher als zuvor spüren. Lorenz und ich stellten wieder Vermutungen über den Verbleib der grünen Mütze an, und Randolph Brauer verdoppelte seine Wermut- und Marillenschnapsrationen. Immerhin war er so vernünftig, morgens mit dem Fahrrad und nicht mit dem Auto zur Kartoffelchips-Fabrik zu fahren. Seit unserem Ausflug in den Bayerischen Wald ließ er auch die Ponys in Frieden. Über die Ereignisse jener Nacht hatten wir nie wieder gesprochen.
Unter der Woche kam Elsa abends nicht mehr zu uns. Die Gröhlers hatten sie erwischt, als sie aus dem Fenster steigen wollte, und drohten ihr bei einer Wiederholungstat mit drakonischen Strafen.
Trotzdem blieb der Schaukelstuhl nur selten leer, Randolph nahm Elsas Platz ein.
Wenn er sehr viel getrunken hatte, fiel er sofort in Tiefschlaf, und seinem halbgeöffneten Mund entwich ein nervtötendes Grunzen.
Wenn er viel getrunken hatte, lachte er an den falschen Stellen.
Wenn er relativ nüchtern war, unterbrach er das Murmeltier mit saudoofen
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