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Elsa ungeheuer (German Edition)

Elsa ungeheuer (German Edition)

Titel: Elsa ungeheuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Rosenfeld
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nicht konzentrieren. Schweiß rann meinen Rücken runter. »Und ja nicht heulen, Flamingo. Hier drinnen gibt es keinen Unterschied zwischen Mädchen und Jungs. Wer flennt, fliegt raus. Und wer kotzt, auch.«
    Elsa schenkte ihm einen finsteren Blick.
    »Also los, bringt es nach hinten.«
    Wie der treueste aller Hunde ließ sich das Schwein von Elsa an dem Seil führen. Willi klemmte das Tier zwischen seine Beine, Elsa und ich hielten es an den Hinterläufen fest. Erst jetzt schien es die Ausweglosigkeit, die Endgültigkeit seiner Situation zu begreifen und fing an zu zappeln und zu quieken.
    Elsa starrte an die Decke, während ihre Hand sanft über den borstigen Rücken streichelte.
    »Gleich knallt’s«, warnte Willi uns. Er setzte das Bolzenschussgerät fest auf die Stirn des Tieres. Und dann knallte es. Das Schwein brach zusammen. Ein Schrei und der Hefezopf wollten aus mir heraus, ich schluckte beides herunter.
    »Legt es auf die Seite, und drückt die Vorderbeine nach oben.«
    Wir taten wie geheißen. Willi nahm das Messer, die Klinge versank bis zum Anschlag im Schweinehals. Blut sprudelte aus der Einstichstelle. Die Eisenketten kamen zum Einsatz. Gemeinsam zogen wir das Tier hoch.
    »Jetzt den Schlauch. Füllt die Wanne«, befahl Willi. »Und dann das Rad drehen. Verbrennt euch nicht, das wird heiß.«
    Das Wasser begann zu dampfen. Das Tier hörte auf zu bluten. Willi zog den leblosen Körper an der Schiene entlang. Ein fliegendes Schwein. Wir lockerten die Ketten. Ein schwimmendes Schwein. Bertram Gerstelmeyer, beladen mit mehreren Plastikeimern, betrat den Stall. Während die beiden Männer das Schwein häuteten und die Eingeweide entnahmen, spritzten Elsa und ich den Boden sauber.
    »Macht es anständig, damit das Nächste nicht durchdreht. Sie riechen Blut.«
    Auf den Knien schrubbte Elsa mit einer Faust voll Stroh den Beton.
    »Bringt das zum Misthaufen.« Willi drückte uns zwei Eimer voller blutigem Glibber in die Hand. Die frische Luft tat gut. In der Nähe des Hofes lungerten schon ein paar Kinder herum, die meisten würden erst später kommen. So war das am Schlachttag. Man wollte zusehen, aber nur aus der Ferne.
    Ich spürte ihre Blicke. Elsa und ich waren Helden. Im Gegensatz zu Christoph Nesshauer, der letztes Jahr schon nach fünf Minuten kotzen musste und nicht mehr damit aufhörte, schlugen wir uns tapfer.
    Das Riesenkreuzschwein wehrte sich von Anfang an. Willi zerrte an dem Seil, während Bertram dem Tier einen Tritt nach dem anderen verpasste.
    Im leeren Stall hing sein Verwandter, aufgeschlitzt und entweidet, was nützte da der geputzte Boden?
    »Gebt ihm ein bisschen Futter«, sagte Willi. »Und lasst euch nicht totquetschen, das Viech wiegt mehr als zehn Flamingos.« In das Gelächter der beiden Männer mischte sich Elsas Flüstern. Wieder war von Mimosen und Gräbern die Rede, doch es klang zu verzweifelt, um glaubwürdig zu sein.
    Zu viert trieben wir das Schwein in die hintere Ecke. Elsas Schritte wirkten ebenso unsicher wie meine, wir taumelten.
    Der Knall. Wieder brach ein Schwein zusammen, aber anders als sein Artgenosse stand es gleich wieder auf. Ohrenbetäubendes Quieken. Willi holte aus und schlug mit dem Bolzen auf den Schweineschädel ein, bis das Tier wegsackte, aber noch war Leben in ihm. Der Kopf wackelte, und die winzigen Augen blinzelten.
    Willi zog sein Messer. »Haltet die Beine hoch.«
    »Es kriegt doch alles mit«, brüllte Elsa und warf sich schützend auf das Schwein.
    Bertram stieß sie zur Seite. »Runter da, Mädchen. Verdammt. Sofort runter.«
    Ein letztes Grunzen entwich dem Kreuzschwein, als Willi zustach. Jemand schluchzte, es dauerte einen Moment, bis ich begriff, dass ich es war, der da heulte. Elsas Hand, rettend und warm, griff nach meiner, und dann rannten wir los. Rannten ins Freie, rannten an den Kindern vorbei. Sie lachten, wir rannten weiter, rannten durch den Wald Richtung See. An der Lichtung angelangt, ließen wir uns einfach auf den feuchten Boden fallen. Wir hielten uns noch immer an den Händen und sagten kein Wort.
    Irgendwann schliefen wir ein. Es dämmerte bereits, als mir ein vertrauter Geruch in die Nase stieg. Ich öffnete meine Augen, kurz darauf erwachte auch Elsa. Zu unseren Füßen saß das Murmeltier, einen qualmenden Zigarrenstumpen im Mund.
    »Kommt, ihr herrlichen Kinder, ich bringe euch nach Hause.«
    Elsa und Lorenz hatten nun einen neuen Grund, so manches Gefecht auszutragen: Schweine-Willi.
    »Niemand hat dich gezwungen,

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