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Elsa ungeheuer (German Edition)

Elsa ungeheuer (German Edition)

Titel: Elsa ungeheuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Rosenfeld
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Sarg nach Den Haag gebracht. Nun hatte ihr Cousin Jaap meinen Vater und uns Kinder eingeladen, zwei Augustwochen dort zu verbringen, damit wir Hannas Grab besuchen konnten. So wie letzten Sommer würden das Murmeltier und Frau Kratzler die Betreuung der Feriengäste übernehmen. Aufgrund der verstrahlten Pilze erwarteten wir nur wenige Urlauber. Außerdem war Randolph, seit er sich vom Wermut trösten ließ, ohnehin keine große Hilfe.
    »Mach, dass ich mitdarf, Fetti«, flehte Elsa, als unsere Reisepläne feststanden.
    Das Murmeltier unterstützte mich. Es brauchte nicht viel, um Randolph zu überreden, und auch unser holländischer Gastgeber hatte keine Einwände. Nur die Gröhlers stellten sich quer. Auf ein striktes Nein folgte nach einer Unterredung mit Herrn Murmelstein ein skeptisches Vielleicht . Jeden Tag brachten sie neue Argumente vor, warum sie Elsa beim besten Willen nicht fahren lassen konnten. Die Reise wäre für meinen Vater auch ohne das anstrengende Mädchen Strapaze genug. Außerdem hatten Hubertus und Gustav geplant, die Alt-Gröhlers an der Nordsee zu besuchen, und wie sähe das denn bitte schön aus, wenn die eigene Enkelin einer fremden Familie den Vorzug gäbe.
    Das Murmeltier schaffte es immer wieder, die Bedenken der Gröhlers zu zerstreuen, und allmählich wandelte sich das Vielleicht in ein vielversprechendes Wir werden sehen .
    Und jetzt, eine knappe Woche bevor es losgehen sollte, hatten wir gewonnen. Dass ich der Erste war, dem sie die frohe Botschaft verkündete, verdoppelte das Siegesgefühl.
    Die Rotkappe, die meinem Gesicht eben noch unangenehm nah gewesen war, flog auf den Boden.
    »Heute ist es ein Hund«, sagte Elsa und deutete auf den Anhänger ihrer Kette. »Komm, Fetti, lass uns runter zu Lorenz gehen.«
    Einen Koffer packte Elsa zu Hause unter Aufsicht ihres Onkels. Fügsam verzichtete sie auf den Großteil der Kleidungsstücke, die sie eigentlich am Wochenende anziehen durfte. Sie nickte artig bei Gustavs Erklärung, dass es sein Recht sei, die Regeln unter bestimmten Umständen zu ändern, und der Aufenthalt in Den Haag sei eben so ein bestimmter Umstand.
    Einen zweiten Koffer – mit Elsas wirklichen Schätzen – füllte sie bei uns, schließlich war das Murmeltier noch immer der Hüter des Stapels ›nur in den Ferien erlaubt‹. Auch die Stiefel, die sie sonst in ihrer Krokodilledertasche verwahrte, wanderten zusammen mit drei Paar neuen Bandagen in das Geheimgepäck.
    Weder Lorenz noch ich hatten jemals die Oberpfalz verlassen.
    Am frühen Morgen lieferten die Gröhlers Elsa bei uns ab und drängten Randolph die Telefonnummer der Nordsee-Großeltern auf, mit dem Hinweis, dass man das Mädchen, sollte es sich danebenbenehmen, sofort dort hinschicken könne.
    Ein Taxi brachte uns zum Bahnhof. Es ging weiter mit dem Regionalexpress. In Regensburg stiegen wir in den Zug nach Köln. Von Köln fuhren wir nach Eindhoven. Von Eindhoven nach Den Haag.
    Randolph Brauer war so nüchtern wie lange nicht mehr, nur einen ganz kleinen Wermut hatte er zum Frühstück getrunken. Trotzdem wirkte er benebelt, seltsam euphorisch. Er sprach von Hannas Grab, und es klang so, als hätte ihm jemand die Auferstehung seiner Frau wenn nicht garantiert, so doch zumindest in Aussicht gestellt. Ob es sich bei diesem Jemand um Gottvater selbst, das arme Herzjesulein der Kratzlerin oder einen zweitrangigen Heiligen handelte, war seiner Rede nicht zu entnehmen. Vielleicht war ich auch nicht aufmerksam genug. Zu sehr nahm mich der Gedanke in Anspruch, dass ich gerade meine erste große Reise antrat. Lorenz erging es nicht anders, und so war Elsa Randolphs einzige Zuhörerin.
    Sie hatte schon oft in einem Zug, ein paarmal sogar in einem Flugzeug gesessen.
    Jaap, der darauf bestand, dass wir ihn Onkel Jaap nannten, holte uns am Bahnhof ab. Seine Gesichtszüge erinnerten an Hanna, was erst auf den zweiten Blick auffiel, denn er war groß und dick, unsere Mutter hingegen klein und schlank gewesen. Jaap sprach fließend Deutsch, grammatikalisch perfekt, nur an der Betonung erkannte man den Holländer.
    Früher hatte er ein Restaurant besessen und von einem Hotel geträumt. Ende der Siebziger musste er Konkurs anmelden und hielt sich danach als Kellner über Wasser. Ein Job, den er hasste, wurde ihm doch allabendlich seine eigene Niederlage vor Augen geführt.
    Vor fünf Jahren beendete eine zufällige Begegnung mit Irina Graham sein unglückliches Kellnerdasein. Sie saß mit ihrem Berater Sebastian Mirberg

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