Elurius (Vater der Engel) (German Edition)
Erstes das vermisste Kaltblut in einer der Boxen stehen. Das Tier war ziemlich schmutzig, jedoch schien es ansonsten gesund. In der benachbarten Box gebärdete sich der schwarze Hengst sehr unruhig. Das Tier stand, seit Robert es bei Elisa zurückgelassen hatte, im Stall und sie wusste, dass es an sehr viel Bewegung gewöhnt war.
Sie hörte Elmors tiefe, warme Stimme, bevor sie ihn sah. "Dass er sein Pferd hier hat stehen lassen... ".
Elisa suchte ihn einige Sekunden lang im dämmrigen Zwielicht, bis sie ihn entdeckte. Er hatte sich auf einer Haferkiste am Ende des Stallgangs niedergelassen und blickte ihr in aufrechter Haltung entgegen. Sie ging bis zur Hälfte des Ganges auf ihn zu und blieb dann stehen. Nun konnte sie sein Gesicht besser erkennen. Sie fand in seiner Mimik keine Spur von Freude oder Erleichterung über einen gelungenen Einsatz. Er wirkte auf sie ein wenig erschöpft, als wäre ein Stück seiner demonstrativ zur Schau gestellten Stärke hinter der Fassade weggebröckelt. Für Elisa war dieser Eindruck, den er auf sie machte, etwas völlig Neues. Sie hatte ihn nie zuvor in irgendeiner Weise verwundbar erlebt.
"Ist meine Mission hiermit erfüllt?" fragte sie ihn.
"Natürlich“, erwiderte er ihr und nickte leicht. "Wir haben den Gesuchten gefunden, dank deiner freundlichen Unterstützung."
"Dann gib mir zurück, was mir gehört", forderte sie.
"Ja", sagte er mit einem müde wirkenden Lächeln. "Doch nicht hier, im Stall. - Würdest du mir vielleicht ein wenig von deiner Gastfreundschaft gewähren?"
"Gut", antwortete sie. "Doch nur kurz. Du weißt, dass der Anstand es gebietet, das Haus einer alleinstehenden Dame bei Einbruch der Nacht zu verlassen."
Elmor erhob sich von seinem Platz und kam zu ihr heran. Seine Bewegungen waren bedächtig, sie nahm ein leichtes Hinken in seinem Gang wahr. Als Elisa sich umdrehte, um ihm auf den Weg zum Haus voranzugehen, fiel ihr Blick auf die dem schwarzen Pferd gegenüberliegende Box, deren Tor einen Spalt breit offen stand. Dort lag eine Person auf dem kahlen, harten Boden, der Kopf bedeckt von einem schwarzen Sack, die Hände auf den Rücken gebunden. Sie spürte einen deutlichen Stich in ihrem Inneren, als der Gefangene sich ein wenig bewegte. Vielleicht war er bei Bewusstsein.
Schnell schaute sie wieder geradeaus und verließ den Stall.
Elmor folgte ihr allein, Robin blieb zurück. So mussten die beiden Männer es vorher abgesprochen haben. Im warmen Wohnraum legte sie ihren Mantel wieder ab und wandte sich dann ihrem Gast zu.
"Ich weiß, es ist schmerzhaft für dich, das zuzugeben", begann sie. "Aber dein halb toter, fieberkranker Gegner war wohl kein simpler Handstreich für dich."
Sie warf einen Blick auf seinen Mantel, der an der linken Seite von großen, dunklen Flecken verfärbt war. Er musste den Stab selbst herausgezogen haben, was nicht nur extreme Überwindung erforderte, sondern auch die Gefahr eines großen Blutverlustes mit sich brachte. Aber er hatte eine weite Strecke auf dem Pferderücken zurücklegen müssen, was mit derartig harten Erschütterungen verbunden war, dass ein langer, spitzer Gegenstand im Körper mit Sicherheit Lebensgefahr bedeutete.
"Dieser Junge", gab Elmor zurück, "würde sich aus lauter Starrsinn selbst über den Tod hinaus zur Wehr setzen."
Sie hob die Brauen. "Und?" fragte sie. "Bist du nicht stolz auf ihn?"
"Du magst es vielleicht nicht glauben", war seine Antwort. "Aber ich liebe ihn."
Diese Antwort reizte sie zum Lachen. "Deine Liebe äußerst sich unkonventionell", stellte sie fest. "Doch das habe ich ja schon immer gewusst."
Er griff statt einer Erwiderung in seine Manteltasche und hielt ihr auf der offenen Handfläche den Ring entgegen. Elisa trat einen Schritt auf ihn zu und nahm das Schmuckstück entgegen.
"Auch dich liebe dich", sagte er. Sie schaute von dem funkelnden, roten Stein in ihrer Hand auf. Seine Miene war direkt freundlich zu nennen, als er ihren forschenden Blick erwiderte. Am liebsten hätte sie ihm geantwortet, dass sie auf diese Art von Liebe gut und gerne verzichten konnte, doch die Worte blieben irgendwo auf dem Weg vom Verstand zur Zunge stecken. Sie senkte die Augen wieder, um sich den Ring an den Finger zu stecken. Im selben Moment sah sie Asno vor sich, so jung und wild, wie er damals gewesen war, als er das Haus seiner Mutter für so viele Jahre verlassen hatte. Nicht nur er würde nun von dem Fluch der Krankheit geheilt sein. Auch all die anderen. Auch Tadeya. Auch
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