Elurius (Vater der Engel) (German Edition)

keinen Mediziner an Bord. Außerdem hatte er sowieso strikte Anweisung, die Anwesenheit der Passagierin geheim zu halten. Es war ihm also nicht möglich, irgendetwas zu tun. Er konnte nur hoffen, dass sie sich schnell von selbst wieder erholte und er nicht womöglich am Zielhafen eine Todkranke oder gar eine Leiche abliefern musste.
    Sie gab ihm mit einer deutlichen Geste zu verstehen, dass er gehen solle. Bevor er die Tür schloss, sah er noch, wie sie das Tablett abstellte und nach dem Wasserkrug griff.
     
     

Der neue Weg
     
    Seit meiner letzten Eintragung sind einige Wochen vergangen. Ich habe die Region verlassen, nachdem ich meine verbliebenen Leute gesammelt und sie auf ihre Treue zu ihrem Meister eingeschworen habe. 
    Robert hat eine sehr große Dummheit begangen.  Er hat hinter meinem Rücken gegen mich gearbeitet. Und er hat es erstaunlich gut verborgen.
    Wie es ihm gelungen ist, mich so zu betrügen, ist ein Rätsel.
    Er hat einen eher chaotischen und zerstörerischen denn zielgerichteten Anschlag auf mein Leben verübt. Das er mich unleugbar zu töten beabsichtigte ist eine bittere Erkenntnis.  Selbst in der Zeit meines tiefsten Misstrauens ihm gegenüber habe ich einen solch weitgehenden Verrat nicht vermutet. Was muss dort, so erstaunlich sorgsam vor meinen Augen verborgen, in seiner Seele vorgegangen sein, seit er die junge Frau von ihren Fesseln befreit hat?  Welche Überlegungen haben ihn zu diesem drastischen Schritt getrieben?
    Er hat die Zeremonie manipuliert, ein Akt, der von langer Hand vorbereitet gewesen sein musste. Die Mächte, die ich rief, hat er unter seine Kontrolle gebracht, ohne ein nach außen erkennbares Ausscheren aus unserem gemeinsamen Ritual.
    Ein wahrhaftes Meisterstück. 
    Ich habe diesem Jungen gezielt nur einen Bruchteil meines eigenen Wissens vermittelt. Was er aus diesem Bruchteil gemacht hat ist ohne Zweifel bemerkenswert. Dass er sich allerdings so radikal gegen mich gekehrt hat stellt ein Problem dar, das nur mühsam und mit viel Geduld bewältigt werden kann.
    Ich werde ihn eine Zeit lang in Ruhe lassen müssen. Meine Leute werde ich hin und wieder aufsuchen um sie zu stärken und neue Männer hinzuzufügen. Die Gruppe wird in der Lage sein müssen, sich über größere Zeitabschnitte hinweg selbst zu beschäftigen, während derer ich mich zurückziehe. 
     
    Wenn es die Opferungen waren, die mich in seinen Augen so plötzlich zu einem Angriffsziel  gemacht haben, dann kann man im Gegenzug nicht sagen, dass ihm bei diesem furiosen Finale unserer Zusammenarbeit die Schonung von Menschenleben am Herzen gelegen hätte.
    Ich werde eine Weile fortgehen und zurückkehren, sobald es an der Zeit ist und ihn dann für eine längere Phase genauer beobachten. Welch inneren Schaden er auch immer genommen hat, dass seine Entscheidung für solch eine radikalen Schlag fiel: Es wird nicht unmöglich sein, ihn wieder zurück auf meine Seite zu bringen. Ein erster Schritt wird sein, einen genauen Blick darauf zu werfen, wie er sein Leben ohne mich zu gestalten versucht, denn hier ruht der Schlüssel zum tieferen Verständnis für seine extreme Rebellion. Eine verfrühte, direkte Konfrontation ist in jedem Fall zu vermeiden, denn dies würde den Widerstand zweifellos nur noch vergrößern. 
    Er wird viel Zeit benötigen, das, was er wirklich will, wonach er strebt und was ihn schlussendlich so sehr aus der Bahn geworfen hat, in seinem Leben umzusetzen. Ich werde ihm dabei zusehen und seinen innersten Antrieb verstehen lernen.  Und dann wird er - höchstwahrscheinlich schmerzhaft - lernen müssen, dass ihm nichts auf dieser Welt gelingen kann,  was außerhalb dessen liegt, was ich für ihn vorgesehen habe.
    Derzeit allerdings beschäftige ich mich noch mit der  Entwicklung einer Technik, Robert im Ernstfall per Zwang unter meine Kontrolle zu bringen.  Dies könnte in Zukunft nötig werden, auch wenn mein primäres Ziel  seine freiwillige Unterordnung ist. Er kämpft mit purer, physischer Gewalt. Ich werde ganz andere Waffen wählen, ihm in Zukunft zu begegnen. Waffen, die meinem jungen Freund, dem geborenen Hitzkopf, bis jetzt noch unbekannt sind.
     
     
     

7. Wunden

-------  ELISA  SLEYVORN  -------
     
    Zuerst waren die Geister zurück. Sie gaben ihr zu verstehen, dass ihre Aufgabe so weit erfüllt sei. Elisas Beklommenheit, die stärker geworden war, seitdem sie das in dem Buch verborgene Bild gefunden hatte, war in der Zeit des Wartens nicht von ihr gewichen. Die