Elurius (Vater der Engel) (German Edition)
entkommen, die ihn noch immer gefangen hielt und die ihm deutlich gezeigt hatte, was es in diesem Spiel zu verlieren gab. Es machte keinen anderen Sinn, er musste die Kontrolle über sein Herz selbst erlangen. Anders besaß er keine Grundlage mehr für irgendwelche Entscheidungen, er wäre ein mechanisches Wesen ohne Antrieb. Vielleicht sogar viel einfacher von außen zu kontrollieren - für jemanden, dem dies gelegen kam.
Bis zur Nacht war es noch lang - nun galt es, diesen Stolperstein zu überwinden und keinen weiteren mehr zuzulassen, um das Ziel zu erreichen. Zermürbend. Er hätte es gern kürzer gehabt.
*****
Sie lag auf dem blanken Boden in der Grabkammer unter dem Hügel, Robert hatte für ihren tiefen Schlaf gesorgt: Nur, um so ruhig zu stellen - oder auch, um ihre zarten Nerven zu schonen? Er würde sich nicht durch Roberts Worte in die Irre führen lassen, sondern er wollte lieber prüfen, was an dessen Entschlossenheit überhaupt dran war.
Die große Hand legte sich sanft auf Katharinas Schulter, ganz allmählich belebten sich ihre Glieder. Sie begann, sich zu räkeln und zu recken, die Muskeln meldeten Verspannungen auf dem harten Untergrund. Er ließ ihr Zeit, so bald würde Robert sicher nicht zurückkommen. Nach einigen Minuten schlug sie die Augen auf, blickte verwirrt um sich in den ungastlichen Raum. Er stand in dem Moment weiter weg, war mit anderen Dingen beschäftigt, ließ sie zuerst wieder ganz zu sich kommen. Katharina brauchte eine Weile, bis sie sich wieder ganz erinnerte - und dann kam die Panik erneut in ihr hoch. Sie blieb am Boden, suchte mit den Augen eine Fluchtmöglichkeit, aber sie konnte keinen Ausgang in dieser steinernen Höhle erkennen. Der breite Rücken, den sie im Licht der einen Fackel erblickte, kam Katharina allerdings grausam bekannt vor und sie wusste: Sie musste hier weg, bevor dieser Mann bemerkte, dass sie erwacht war. Also kroch sie geduckt über den Boden, aufs Äußerste bemüht, keinen Laut zu erzeugen, während das Blut in ihren Ohren rauschte. Vielleicht würde sie irgendwo einen Weg nach draußen finden, einen Spalt im Fels oder eine verborgene Tür.
Doch dann beschloss Elmor, dass es nun so weit war. Er trat ihr mit energischen Schritten in den Weg. „Für dich geht es hier nicht raus“, sagte er, während sie voll Entsetzen auf seine Schuhe starrte. Er bückte sich, griff ihren Arm und zog sie auf die Beine, während sie sich noch immer in Schreckstarre befand. Immerhin blieb sie vor ihm stehen, als er sie losließ und ihr ins Gesicht sah. Er tat gar nicht erst freundlich, musterte sie abschätzig. „Was er an dir so teuer findet, ist mir ein Rätsel“, meinte er. „Doch wen er liebt, den liebt er mit Inbrunst. Auch ganz ohne Grund.“
Sie konnte nichts erwidern, die Angst hielt sie im festen Griff.
„ Vielleicht ist er jetzt noch überzeugt, dass er dich heute opfern wird“, fuhr Elmor fort. „Aber sobald er auf echte Probleme trifft, werden seine guten Vorsätze sicher zunichte.“
Katharina misstraute diesem Mann durch und durch. Warum teilte er ihr seine Gedanken mit? Zitternd suchte sie nach einem Ausweg aus dieser Situation, nach irgendeiner schlauen Idee, wie sie sich verhalten sollte. Aber in ihrem Kopf herrschte ein Sturm der Gedanken, der nichts Rettendes für sie bereithielt. Elmors Blick machte das Chaos nicht besser, er betrachtete sie wie ein Raubtier seine Beute.
„Mit Recht hast du Angst, Mädchen“, sprach er nun weiter. „Falls er es wider Erwarten doch durchzieht, wirst du elendig krepieren. Also rette dich, triff ihn ins Herz. Nicht wegen dir gebe ich dir diesen Hinweis, ich habe Viele wie dich selbst getötet.“
Ja, das wusste sie bereits, Robert hatte mehr als genug darüber in dem ihr vermachten Buch geschrieben. Dieser Mann besaß nicht die geringste Achtung vor dem menschlichen Leben - sie schien nur deshalb für den Moment sicher zu sein, weil er irgendetwas mit ihr vorhatte.
„Warum ...?“, brachte sie hervor und kam schon nach dem ersten Wort nicht mehr weiter.
Er lachte kurz und grimmig. „Ich will sehen, ob er es wirklich fertigbringt - oder ob er dich nur benutzt, um mich zu ködern, Frau Rothans.“ Ihren Namen sprach er beinah liebevoll, was sie unangenehm erschauern ließ. „Nach seinem Willen sollst du wohl schlafen, während ich ein zweites Mal mit ihm auf Reisen gehe.“ Nun breitete sich ein seltsames Lächeln über seinen Mund aus, das die böse funkelnden Augen nicht berührte.
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