Elurius (Vater der Engel) (German Edition)
„Nach meinem Willen sollst du wach sein und ihn dazu bewegen, aufzugeben, noch bevor die Reise startet.“
Sie verstand das alles noch immer nicht so ganz, nur eines drang zu ihr durch: Sie erhielt vielleicht eine Chance zu entkommen, weil sich zufällig ihrer beider Interessen überschnitten.
„ Was ... kann ich tun?“ brachte sie heraus.
Nun erreichte das Lächeln tatsächlich doch die Augen, sie winkelten sich leicht an. Elmor fand zunehmend Gefallen an diesem frisch begonnenen Spiel - und er musste nicht auf vielleicht nur leere Worte vertrauen. Er beugte sich ein wenig zu ihr nach vorn und legte vertraulich die Hand auf ihren Oberarm. Sie zuckte erwartungsgemäß zurück, wagte es aber nicht, seine Hand abzuschütteln. Ihre weiten Augen kündeten von dem Tumult in ihrem Inneren, doch der Hoffnungsfunke war bereits entzündet.
„Wir werden ihn gemeinsam erwarten“, erklärte er mit gedämpfter Stimme, so, als stände Robert lauschend draußen vor der Tür. „Er wird erfahrungsgemäß erst in der Nacht zurückkehren, sodass du viele Stunden Zeit hast, alles zu verinnerlichen.“ Jetzt legte er die zweite Hand an ihren anderen Arm und zog sie näher zu sich heran. Ihr gesamter Körper erschauerte, aber sie hielt trotzdem still, die Augen fest auf seine gerichtet. „Nicht schreien“, riet er ihr leise. „Vor allem dann, wenn er in deiner direkten Nähe ist. Schrei nicht, er wird dich sonst bewusst schlagen, das hat er bei mir so gelernt und er tut es ganz automatisch. Dann hast du verloren.“
Katharinas Atem ging schwer in dieser Enge zwischen ihnen, seine Worte hinterließen schwarze Spuren in ihrer Seele.
„Schau ihm in die Augen, auch, wenn es schwer zu ertragen ist“, sprach er weiter. „Du darfst weinen, du darfst betteln, doch schau ihn an und berühre ihn. Erinnere ihn an früher - ich wette, das hast du heute Nacht bereits getan, das kommt bei dir ganz von selbst. Aber nicht zu viel davon, Frau Rothans, nur eins: Wie er dich einmal von deinen Eltern abholte, das hat er nur ein einziges Mal getan. Und er nahm dich mit auf die Hügel und sprach davon, fortzugehen. Weißt du noch?“
Katharina erinnerte sich gut, obwohl es lange schon her war. Warum wusste dieser Mann von so privaten Dingen? „Er redete an dem Tag ziemlich wirr ...“, sagte sie und schüttelte sofort den Kopf.
„Ja, das wundert mich nicht“, entgegnete Elmor. „Wolltest du damals mitgehen?“ Seine Augen glitzerten seltsam. Ihr schien es, er wisse die Antwort bereits. „Das war keine fixe Idee, auch, wenn es vielleicht so aussah“, raunte er Katharina mit seiner tiefen Stimme zu, als sie nichts erwiderte. Und dann: „Ich denke, er wäre gegangen, wärst du mitgekommen: Gib ihm eine zweite Chance.“
Sie wollte nirgendwohin mit Robert - nicht so, wie er heute war. Damals war sie noch ein halbes Kind gewesen, das einfach nach Hause gehörte und nicht mit diesem jungen Mann irgendwo in die Fremde. Aber egal, was sie jetzt für ihn empfand: Sie wollte jetzt nichts mehr, als nur ihr Leben retten.
Der schwarze Priester ließ sie plötzlich wieder los und entfernte sich. Sie blieb stehen, wagte es nicht, sich zu rühren. In der Mitte des relativ kleinen Raumes stand ein geschlossener Sarkophag, den sie jetzt erst voll bewusst wahrnahm. Dahinter machte der Hüne sich - mit dem Rücken zu ihr - an irgendetwas zu schaffen. Gleich darauf brachte er ihr einen Becher mit einem Getränk, dessen scharfer Geruch ihr überhaupt nicht gefiel.
„ Das wird dich wachhalten“, sagte er und drückte ihr den Becher in die Hand. „Du darfst nicht wieder einschlafen.“
Gehorsam würgte sie also die Flüssigkeit herunter, die ihr zuerst in der Speiröhre brannte und sich anschließend, wie ätzende Säure, schmerzhaft in die Magenwände fraß. Danach bemerkte sie erst, wie durstig sie war, doch wahrscheinlich konnte sie nicht damit rechnen, dass er ihr zusätzlich noch einen Becher schlichtes Wasser anbot. Er nahm ihr stattdessen das leere Gefäß wieder ab und wies sie an, ihm zu folgen. Sie gingen gemeinsam nach draußen.
*****
Zwei Stunden nach Einbruch der Nacht kehrte Robert zurück. Er war auf alles vorbereitet, einschließlich des Anblicks, der sich ihm bot. Nun, er war das Risiko bewusst eingegangen, indem er seine Methode wählte, Elmor von einem zügigen zweiten Anlauf zu überzeugen.
Katharina saß bleich und erstarrt im Fackellicht, um sie herum huschten kleine, flinke Schatten, während die alte Sprache aus
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