Elurius (Vater der Engel) (German Edition)
dort, womöglich im Schlaf, überrascht zu werden. Doch wirklich sicher davor war er auch an keinem anderen Ort. Er hatte sich zwei Ziele gesetzt. Das erste war, um wirklich jeden Preis zu verhindern, dass Elmor mit Tadeya davonkam. Niemals mehr sollte der Schwarze Priester die Chance bekommen, seinen zerstörerischen Pfusch an der Natur zu wiederholen. Das zweite Ziel bestand darin, Elmor aus seinem Versteck zu locken und ihm Auge in Auge gegenüberzustehen. Robert wusste, dass Elmors Ruf weithin für ihn hörbar wäre, sollte der Schwarze Priester mit ihm verhandeln wollen. Er würde auf diesen Ruf reagieren. Am Ende wollte er nicht nur annehmen müssen, sein Feind sei tot. Er wollte es diesmal wissen , auch wenn er dafür wieder einmal durch die Hölle gehen musste.
Er konnte es nicht akzeptieren, dass der Mann noch am Leben war, der sich selbst zu seinem Gott aufgeschwungen hatte. Der ihn aus totem Samen gezeugt und im Leib einer jungen Frau hatte heranwachsen lassen, die in seinen grausamen Händen innerlich gestorben war. Der nicht einmal die Stirn besaß, diese bizarre Geschichte dem Produkt seines Größenwahns mitzuteilen.
Bei fremden Menschen hatte Elmor das Erzeugnis seines Experiments aufwachsen lassen. Das neugeborene Kind der Familie hatte er heimlich fortgenommen und dafür sein Kuckucksei eingeschmuggelt. Robert Adlam war schon lange tot. Derjenige, der an seine Stelle getreten war, so lange, bis die Familie ausgedient hatte und ebenfalls vom Erdboden getilgt wurde, besaß keinen eigenen Namen. Vielleicht hatte er nicht einmal ein reelles Anrecht, zu leben.
Doch er war am leben, auch wenn er das nicht immer spürte. Seit dem Tag, als er sich mit zerschnittenen Händen, mehr tot als lebendig von dem Opferstein erhoben hatte, um mit letzter Kraft den Schwarzen Priester in die Knie zu zwingen, war es in seinem Herzen zumeist kalt und leer. Die Fähigkeit zu lieben hatte er verloren. Selbst als er nach Monaten der Suche auf einen Teil seiner wahren Familie gestoßen war, hatte er sich nicht wirklich zu diesen Menschen hingezogen gefühlt. Er war in Elisas und Tadeyas Nähe geblieben, weil es zurzeit keinen besseren Ort gab, zu dem er gehen konnte.
Die selteneren Zeiten, wenn die Leere aus seinem Inneren wich, waren von Schmerz und einem heißen Zorn erfüllt. Tadeyas heimlicher Verlobter hatte eine offensichtliche Gabe, in Wunden herumzustochern. Hätte Jesco doch nur versucht, die ihm in die Hand gelegte Pistole wirklich zu benutzen. Ein zweites Mal hätte Robert ihn nicht mit solcher Zurückhaltung behandelt. Doch dieser Kerl war jemand, der zuerst mutig Anlauf nahm und dann plötzlich aufgab.
Der verletzte Mann kam langsam wieder zu Bewusstsein. Er schlug die Augen auf, schloss sie wieder und öffnete sie erneut. Dann drehte er langsam den Kopf, zuerst nach links und danach nach rechts. Als er Robert neben sich am Boden sitzen sah, hielt er in der Bewegung inne und starrte ihn an. Sein Mund bewegte sich, doch es kam vorerst nur ein heiseres Krächzen heraus. Er räusperte sich, fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und versuchte noch einmal zu sprechen. Diesmal kamen zwar heisere, aber verständliche Worte heraus, in einem deutlichen Ton der Verwunderung. "Ich... lebe noch...".
"Tatsächlich", sagte Robert mit wenig Interesse.
"Wo ist der...", begann der am Boden Liegende und seine Augen wanderten einige Sekunden lang suchend umher. Aber er fand nicht, wonach er Ausschau hielt: den Mann, den er für ihn um Gnade hatte bitten hören.
Robert antwortete ihm auf die nur halb ausgesprochene Frage nicht.
Die auffällig hellblauen Augen des Mannes fanden wieder ihren Fokus auf Roberts Gesicht. Blass, sehr blass tauchte ein Bild in Roberts Kopf auf von einer jungen Frau, deren Iris dieselbe helle Farbe besessen hatte. Er war erst fünfzehn gewesen, Elmors getreuer Schüler seit bereits zwei Jahren, und hatte die Frau, eine zum Sterben verurteilte Gefangene des Priesters, von ihren Fesseln befreit. Mit diesem Tag war in seinem Herzen eine Rebellion ausgebrochen, die zur gewaltsamen Trennung von seinem Meister geführt und einen ein Jahrzehnt dauernden Stellungskrieg eingeläutet hatte.
Es war offenkundig, wie der Verletzte zwischen Hoffnung und Angst schwankte. Der Versuch, aufzustehen schien ihm gar nicht in den Sinn zu kommen. Die Wahrscheinlichkeit war gering, dass er dazu überhaupt in der Lage war.
Robert empfand rein gar nichts für diesen Mann. Es war kein Mitleid für seinen verletzten
Weitere Kostenlose Bücher