Elurius (Vater der Engel) (German Edition)
FEY -------
Recht frustriert hatte er sein viertes Bier schnell ausgetrunken und die Rechnung beglichen. Jesco konnte nicht begreifen, warum er gezielt auf eine Person getroffen war, die ihm so offensichtlich hätte weiterhelfen können, dies aber rigoros ablehnte. Für ihn fühlte die ganze Sache sich an wie ein Scheitern kurz vor der Ziellinie. Er fragte sich, ob es an seinem persönlichen Unvermögen lag, womöglich an fehlendem Taktgefühl, dass das hoffnungsverheißende Gespräch so abrupt gescheitert war. Konnte es in Gottes Willen gewesen sein, ihn in die Gaststätte genau zu dem richtigen Mann zu führen, um dann die eben aufgenommene Spur sang- und klanglos im Sande verlaufen zu lassen?
Auf dem Nachhauseweg zerbrach Jesco sich schier den Kopf, doch er kam zu keinem zufrieden stellenden Ergebnis. Nur eines musste er unbedingt loswerden: "Herr, das ist nicht gerecht. Du kannst mir nicht die kleine Funzel Licht aus der Hand reißen, die du mir eben erst gegeben hast. Ich verstehe das wirklich nicht."
Doch was ihn daheim erwartete, trug nicht eben dazu bei, ihn glücklicher zu machen. Die Vermieterin empfing ihn in heller Aufregung an seiner weit geöffneten Wohnungstür und rief ihm entgegen: "Herr Fey, ein Durcheinander! So ein Durcheinander!"
Sie erklärte ihm, sie habe im Vorbeigehen die Tür offen stehen sehen und bei genauerer Überprüfung entdeckt, dass das Schloss gewaltsam aufgebrochen worden war. Besorgt habe sie einen Blick in die Räume geworfen und war auf einen Zustand der Verwüstung getroffen.
Jescos Wohnung bestand nur aus einem kleinen Schlaf- und Wohnraum und dem angrenzenden Atelier. Sein spärliches Hab und Gut war in beiden Räumen in größtmögliche Unordnung gebracht worden. Die Schubladen der uralten, kleinen Kommode waren herausgerissen und der Inhalt auf dem Boden verstreut, der leere Korpus der Kommode war von der Wand abgerückt und umgekippt worden. Decke und Kissen aus seinem Bett waren zerschnitten, der Teppich war umgedreht und zusammengerollt. Besonders weh tat ihm der Anblick des Ateliers, denn jemand hatte seine Leinwände, bemalte sowie nicht bemalte, zerschnitten, sämtliche Malutensilien achtlos über den gesamten Boden verteilt und offensichtlich darauf herumgetreten. Auch das Portait der Frau Neuberg lag zerrissen in einer Ecke mit einem deutlichen Fußabdruck mitten im Gesicht der strengen Dame.
Die Vermieterin an Jescos Seite erklärte aufgeregt: "Mein Mann holt bereits die Polizei, Herr Fey."
Jesco musste einmal tief durchatmen, als er inmitten des Chaos stand, um dem Ansturm seiner Gefühle Herr zu werden. Unter den zerstörten Bildern erkannte er einige sorgsam ausgearbeitete Studien der Meereswellen, in die er sehr viel Zeit und Herzblut investiert hatte. Der Anblick der zertrennten Leinwände brachte das Fass seiner Leidensfähigkeit zum Überlaufen. Am liebsten hätte er laut geschrien.
Doch stattdessen ließ er sich einfach inmitten der Zerstörung auf den Boden sinken und vergrub das Gesicht in den Händen. Ihm kamen keine Worte in den Sinn, zu beschreiben, was in seinem Inneren vor sich ging. Mittlerweile fiel es ihm schwer zu glauben, dass tatsächlich noch alles unter Gottes Kontrolle war.
"Was machst du bloß?" war seine stumme Frage. "Und was um Himmels willen soll ich bloß machen?"
Doch um ihn herum blieb es dunkel und still.
Die Polizei war recht schnell vor Ort.
Jesco konnte den beiden Männern gegenüber einen sehr konkreten Verdacht äußern, auf wessen Konto der Einbruch ging. Leider gehörte zu diesem Verdacht eine längere Geschichte, die er lieber nicht gerade der Polizei erzählt hätte. Er spürte deutlich den Impuls, sich um einige Details herum zu winden und war innerlich überzeugt, dass er von sich aus die Polizei überhaupt nicht alarmiert hätte. Doch hatte er gelernt, dass es mit Unehrlichkeit nicht wirklich etwas zu gewinnen gab. Und so überwand er seine Vorbehalte und packte alles auf den Tisch.
"Jon und ich haben uns in Kellenhus kennengelernt, das ist mehr als sechs Jahre her. Mein Vater hatte mich schon als Halbwüchsigen auf die Straße gesetzt und ich habe mich seitdem irgendwie mehr schlecht als Recht über Wasser gehalten. Wir sind Kumpel geworden, Jon und ich. Obwohl wir uns nicht immer wirklich miteinander vertragen haben. Und vor etwa zwei Jahren haben wir gemeinsam einen Plan entwickelt, um uns ein für alle Mal Geld zu beschaffen und aus dem Loch, in dem wir steckten, herauszukommen."
Einer der
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