Elurius (Vater der Engel) (German Edition)
"dass dieser Mann brutal ist."
"Hast du Angst vor ihm?" war Jescos sofortige Frage.
"Wie könnte ich nicht, wenn ich das höre", erwiderte Robin.
"Wer war der Mann, den Herr Adlam vom Pferd geholt hat?" fragte Jesco abermals. Und dann fügte er, mit gesenkter Stimme hinzu: "Bitte, Robin, ich habe Angst um Tadeya. Wenn du weißt, wo sie ist, dann bitte ich dich inständig, mir zu helfen."
Nun schüttelte Robin seinen Kopf mit Nachdruck.
"Ich weiß nicht, wo sie ist", beteuerte er. "Ich kann dir nicht helfen, Jesco. Wirklich nicht."
"Du weißt doch etwas", drängte Jesco noch immer weiter. "Wenn du selbst irgendetwas getan hast, was nicht legal war, dann werde ich darüber schweigen. Ich möchte nur Tadeya zurück, sonst nichts."
"Es tut mir leid", erwiderte Robin und senkte ein weiteres Mal seinen Kopf in dieser merkwürdig ergebenen Art. Dann griff er in seine Tasche und legte mit einer kurzen Handbewegung einen Geldschein auf die Theke, während er sich bereits erhob. "Ich kann dir nicht helfen. Vielleicht kann es dein Gott."
Damit ließ er seine Mahlzeit und sein Bier stehen, nahm sich seinen Mantel und verließ die Gaststätte.
4. Gefangen
------- TADEYA SLEYVORN -------
In derselben Sekunde, in der sie erwacht war, hatte die Erinnerung sie wie ein Albtraum überwältigt. Der laute Knall, wie von einer kräftigen Explosion, der Scherbenregen, vor dem sie sich zu schützen versucht hatte, und dann der Mann, der durch das Fenster in den Raum getreten war. Alles war so eindrücklich in ihr Gedächtnis gebrannt, dass sie es im Moment ihres Erwachens augenblicklich ein zweites Mal durchlebte: Sie war sich sicher gewesen, sich wehren zu können, als er auf sie zukam. Doch er hatte nur kurz die Finger um ihr Handgelenk geschlossen und es war schwarz um sie geworden.
Nun saß Tadeya auf dem Boden, in einer Ecke des Raumes, in dem sie vor einiger Zeit zu sich gekommen war. Körperlich fühlte sie sich gut. Was auch immer es gewesen war, das ihr das Bewusstsein geraubt hatte, es hatte ihr keinen nachhaltigen Schaden zugefügt. Mit einer Ausnahme: dass sie nun scheinbar eine Gefangene war.
Man hatte sie in ihren eigenen, warmen Wintermantel gehüllt und ihr ein Paar Schuhe übergestreift. Unter dem Mantel trug sie das, was sie auch zuletzt in den schützenden vier Wänden ihres Zimmers getragen hatte: Nichts, als ihre Unterwäsche. Sie fröstelte trotz des dicken Mantels ein wenig, denn ihr kleines Gefängnis war unbeheizt.
Der Raum, in dem sie sich befand, war nicht gerade groß und ohne Fenster. Als einzige Lichtquelle diente eine flackernde Öllampe, neben welcher eine Kanne zum Nachfüllen stand. Boden, Wände und Decke waren mit Holzplatten verkleidet. Der einzige Zugang bestand in einer fest verschlossenen Tür an der einen Schmalseite des Raumes. Eine zweite, niedrige Holztür an der gegenüberliegenden Seite führte in einen winzigen, ebenfalls fensterlosen, völlig leeren Nebenraum.
Derjenige Raum, in dem sie aus ihrer Ohnmacht aufgewacht war, besaß ebenfalls keine Möblierung. Einzig zwei große, schwere Eichenholzkisten standen an der gegenüberliegenden Wand. Beide Kisten waren mit Riegeln und Schlössern versehen und weder zu öffnen noch zu bewegen. Neben den beiden Kisten standen einige Dinge, die eindeutig aus dem Besitz von Tadeyas Großmutter stammten: ein großer, schlichter Tonkrug, gefüllt mit Wasser, und ein alter Korb mit einem Laib Brot, Wurst, Käse und diversen anderen Nahrungsmitteln. Derjenige, der Tadeya hierher gebracht hatte, hatte offensichtlich anschließend Elisas Küche geplündert, um seine Gefangene mit Lebensmitteln zu versorgen. Außerdem lag dort eine zusammengerollte Decke, die ohne Frage aus Elisas Schlafzimmer stammte. Dies sah nicht nach einer gründlich im Voraus geplanten Entführung aus.
Eines glaubte sie, in ihrem Kopf miteinander verbinden zu können: Die Beschreibung des Fremden, von dem Jesco ihr erzählt hatte und der sich ein "Freund der Familie Sleyvorn" nannte, traf recht genau auf ihren Entführer zu. Wie ein wahrer Freund hatte der Mann sich ihr gegenüber nicht gerade benommen. Der Gedanke an die gewaltsame und zugleich kalte, überlegene Art, mit der er aufgetreten war, ließ in Tadeyas Herz Wut aufkeimen. Sie würde ihn mit Flüchen überschütten, sobald er sich das nächste Mal in ihre Nähe wagte. Rache zu nehmen war ihr nichts Fremdes. Und das sollte ihr Entführer zu spüren bekommen.
------- JESCO
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