Elurius (Vater der Engel) (German Edition)
überhaupt können. Er wird in den frühen Morgenstunden den Weg nach Feldfes nehmen. In der Manteltasche trägt er - als handele es sich um wertloses, bedrucktes Papier - einen hohen Geldbetrag mit sich. Investitionsgelder. Es geht um die technische Verbesserung eines Schiffsantriebs. Der Junge ist nun dreizehn Jahre alt und kennt sich mit Entwicklungen dieser modernen Welt aus, die zwar zum Teil recht spektakulär erscheinen, aber in Wahrheit keinen wirklichen Fortschritt bedeuten. Ihm ist noch nicht jener uralte Bereich der Wissenschaft bekannt, der weit über Dampfmaschinen und mechanische Textilfertigung und den daraus zu erwartenden Gewinn hinaus geht. Nicht, dass ich denke, Robert stelle keinerlei Fragen nach derjenigen Welt, die das rein Materielle übersteigt. Das Angebot des Scarheimer Gemeindepfarrers allerdings, sich taufen zu lassen und somit Mitglied der Kirche zu werden, hat er nach dem Tod seiner Eltern bereits mindestens zehnmal ausgeschlagen. Augenscheinlich weiß er mit den Mahnreden des Pfaffen nichts anzufangen. Er weist dem Kirchenmann nach einiger Zeit des zwar höflichen, aber von ihm bewusst sehr oberflächlich geführten Gesprächs, jedes Mal die Tür.
Doch sehe ich Robert des Nachts im Dunkel des Gartens auf dem Boden sitzen, den Kopf geneigt oder zum Himmel erhoben. Manch anderes Mal reitet er auf einem der schlanken Füchse über die mondbeschienenen Felder. Die Tiere mögen diese Ritte durch die Beinah-Dunkelheit nicht. Nur seine entschlossene Hand lässt sie ihre innewohnende Angst überwinden. Er selbst scheint keinerlei Furcht zu kennen. Er schläft kaum, denn eine unübersehbare Rastlosigkeit treibt ihn um. Mehr als deutlich scheint ihm bewusst zu sein, dass etwas in seinem Leben fehlt.
Etwas, das nur ich ihm geben kann.
Wie bereits angedeutet habe ich dafür gesorgt, dass Roberts Ritt nach Feldfes nicht ohne Zwischenfälle verlaufen wird. Er wird glauben, es handele sich um einen Raubüberfall. Obwohl dem Jungen sehr wohl bewusst sein muss, in welche Gefahr er sich während solcherlei Geschäftsreisen begibt, trifft er keinerlei Vorsichtsmaßnahmen. Obgleich er es meines Wissens nie erprobt hat, scheint er doch zu ahnen, dass er sich im Ernstfall verteidigen können wird, selbst, wenn er keine konventionelle Waffe mit sich führt.
Wir werden eben diesen Ernstfall morgen früh proben. Ich will sehen, wie weit er ist.
Das Spiel war schnell gelaufen.
Die beiden erwachsenen, einigermaßen kampferprobten Männer hatten den Auftrag, einem allein Reisen, unbewaffneten Dreizehnjährigen sein Geld abzunehmen. Es ist ihnen nicht gelungen. Hierzu erübrigt sich jeglicher Kommentar.
Nur eines will ich noch hinzufügen: Die Anordnung, den Jungen möglichst unversehrt zu lassen, haben sie befolgt. Doch dies geschah wohl eher aus Unvermögen als aus Befehlstreue. Sie selbst hingegen haben diverse Blessuren davongetragen, deren Herkunft sie mir nicht zu erklären vermochten. Der eine klagt über einen starken Kopfschmerz und kräftiges Nasenbluten. Beide haben sich augenscheinlich an ihren Waffen die Hände verbrannt. Nur einer hat seine Pistole vom Ort des Geschehens wieder mit zurück gebracht, doch ist diese aufgrund einer Verformung an der inneren Mechanik unbrauchbar geworden.
Die Zeit ist gekommen, mich meinem jungen Freund persönlich vorzustellen. Ihm werden viele Fragen auf dem Herzen lasten. Ein solcher Schlüsselmoment der Selbsterfahrung geht an niemandem spurlos vorüber.
------- TADEYA SLEYVORN -------
Das kleine Schiff, das ihr für die Dauer mehrerer Tage ein Gefängnis gewesen war, zu verlassen, erschien ihr als eine wahre Wohltat. Die Welt draußen war von einer dünnen Schneeschicht bedeckt und es wehte ein müder, frostiger Wind.
Sie trug die Wollmütze, die Robert ihr ausgehändigt hatte, tief ins Gesicht gezogen, ihr Haar unter der Mütze verborgen. Vielleicht, wenn sie den Kopf gesenkt hielt, konnte man sie für einen Jungen halten. In der kleinen Bucht, in der Roberts Boot lag, gab es keine Pier. Sie gelangten mit einem Gefährt an Land, das eher einem Floß denn einem Beiboot glich. Danach machten sie sich zu Fuß auf dem Weg in Richtung Hafen.
Tadeya erlebte diesen etwa halbstündigen Marsch als einen recht sonderbaren Zeitraum. Robert ging das erste Stück des Weges schweigend neben ihr her und hielt den Blick zumeist fest geradeaus gerichtet. Obwohl ihr noch immer tausend Fragen auf dem Herzen lagen,
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