Elurius (Vater der Engel) (German Edition)
Für die Reise würde ihr eigener Anteil eventuell ausreichen. Und vielleicht noch ein Stück darüber hinaus. Doch wie sollte sie in einem fremden Land, dessen Sprache sie nicht einmal sprach, ihr Auskommen erlangen?
Sie schloss fest die Augen und versuchte, an irgendetwas anderes zu denken, als an die Probleme, die sich ihr in den Weg stellen würden. Sie stellte sich Jesco vor, wie er sich ihr zuwandte und mit einem Lächeln begrüßte. In seinen Augen konnte sie lesen, welch einen Wert sie für ihn besaß. Dies zu erkennen war wohltuend für sie wie Balsam. Doch dann fiel ihr ein, mit welch einer Verzweiflung er sie nun suchen musste. Sie waren verabredet gewesen an jenem Tag, als sie aus der vermeintlichen Sicherheit ihres eigenen Schlafzimmers geraubt worden war. Jescos Suche nach ihr war zum Scheitern verurteilt. Auf den Gedanken, dass sie mit einem Schiff auf dem Weg nach England und danach nach Südamerika wäre, konnte er nicht kommen. Die einzige Hoffnung für ihn bestand darin, dass Robert sich mit ihm in Kontakt setzte. Und dies war, wie sie Roberts Verhalten entnehmen musste, äußerst fraglich.
Diese Gedanken machten sie traurig. Die Stille in ihrem Inneren war dahin, die Sicherheit wie weggeblasen. Plötzlich war es ihr zum Heulen zumute. Es gab kein Zurück mehr, sie musste sich nun wohl oder übel durchbeißen. Unter ihren Füßen begann ein Rumpeln und Dröhnen, das Schiff setzte sich schaukelnd in Bewegung. "Jescos Gott", murmelte sie, während Tränen in ihre Augen traten, die sie sogleich mit dem Handrücken fortwischte. "Wenn es dich geben sollte, dann brauchen wir jetzt ein Wunder."
Sie machte einen Schritt zur Tür und legte den Riegel vor.
Wieder eingesperrt.
------- SPENCER HEWETT -------
Er hatte seit zwei Tagen pausenlos leichte Kopfschmerzen. Es war, als hänge eine dicke, dunkle Wolke über ihm und drücke auf seine Schläfen und Schultern. Dazu kam das vage Gefühl, dass sie keine sonderlich angenehme Überfahrt vor sich hatten.
Mit dieser Passagierin verdiente er sich ein gutes Zubrot, und im Zielhafen würde noch ein netter Betrag hinzukommen. Allerdings gelang es ihm nicht wirklich, sich darüber zu freuen. Was den größten Teil seines Gespräches mit diesem Herrn Adlam betraf, hatte er nur eine sehr diffuse Erinnerung, so, als sei er dabei volltrunken gewesen, ohne einen Schluck Alkohol im Körper gehabt zu haben. Zusätzlich beschlich ihn der Gedanke, er würde nach und nach immer mehr davon vergessen, was sie miteinander geredet hatten. Es gab eine ganz bestimmte Anweisung bezüglich des Mädchens, doch konnte er sich nicht entsinnen, wie diese lautete, ganz egal, wie lange er auch darüber nachdachte. Er sollte die Passagierin unversehrt nach England bringen. Dort würde sie abgeholt werden. Und man würde ihm einen guten Lohn aushändigen, für seinen zuverlässigen Dienst. So weit war die Sache klar. Außerdem sollte er den Mund halten über diese Angelegenheit, vor allem auch gegenüber der Mannschaft. Herr Adlam wollte keine Geschichten über diese Sache hören, wenn das Schiff zurückkam. Und Spencer hatte den Eindruck, dass es dem Mann damit sehr ernst war. Es schien ihm rein gefühlsmäßig äußerst unklug, sich nicht an das ausdrückliche Redeverbot zu halten. Was ihn allerdings zu dieser Vermutung veranlasste, konnte er nicht genau definieren. Es hatte etwas mit diesem Gespräch zu tun, das sich nach und nach aus seinem Kopf davonzuschleichen schien wie die Luft aus einem alten Reifen.
Hoffentlich würde ihm wieder einfallen, was er sonst noch zu tun hatte. Ihm schien, als müsse die Passagierin nicht in jedem Fall heil das Schiff verlassen. Doch dieser Gedanke mutete ihm absurd an und er vertrieb ihn sogleich wieder aus seinem geplagten Kopf.
Er würde dem jungen Fräulein regelmäßig ihre Mahlzeiten bringen, zu niemandem ein Wort über sie verlieren und ansonsten bis zur Ankunft über den ganzen Kram einfach nicht mehr nachdenken. Die Überfahrt würde schnell vorbei sein und damit der Handel abgeschlossen.
------- ROBERT ADLAM -------
Bereits als er sich dem Gehöft näherte, wusste er, dass hier etwas nicht in Ordnung war. Er hatte den Schwarzen und den Fuchs im Stall zurückgelassen. Seinen Hengst brachte er schon seit einigen Wochen hier unter und die Bäuerin war beauftragt, ihn zu versorgen. Es war kaum möglich, zwei solcher Pferde über einen längeren Zeitraum zu verbergen, ohne dass es irgendwann
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